Leopardenblut (German Edition)
Wahl.“ Tamsyns braune Augen blickten sanft, niemals hätte Sascha diese eiserne Härte in ihrer Stimme vermutet. „Ich erzähle es dir, weil ich dir vertraue.“
Enttäusch mich nicht.
Sascha hörte diese unausgesprochenen Worte so klar, als wären sie aus Tamsyns Mund gekommen. „Warum soll ich es denn überhaupt erfahren?“
„Du hast eben gesagt, du bräuchtest eine Verbindung zu jemandem von uns, wenn du ins Medialnet gehst.“ Tamsyn runzelte die Stirn. „Setz dich, bevor du umfällst. Wäre ja noch schöner, wenn Lucas mir Vorwürfe machte, ich würde mich nicht gut um dich kümmern.“
Sascha setzte sich auf das Bett. „Was muss ich wissen?“ Sie stellte das Getränk auf dem Nachttisch ab.
Tamsyn setzte sich neben sie und holte zitternd Luft. „Als Lucas kaum dreizehn war, versuchte eine kleine Bande umherstreifender Leoparden in unser Territorium einzudringen. Damals waren wir noch nicht so stark, deshalb glaubten die ShadowWalker-Leoparden, sie könnten uns entmachten und selbst die Führung des Rudels übernehmen.“ Sie seufzte. „Das kommt gar nicht so selten vor. Wir sind vielleicht menschlicher als die Medialen, aber noch lange nicht vollkommen.“
Sascha unterbrach sie nicht, der scharfe Schmerz in Tamsyns sonst so ruhiger Stimme hielt sie davon ab.
„Lucas’ Mutter war eine Heilerin und sein Vater ein Wächter.“ Ein sanftes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Manchmal glaube ich, er lässt mir deswegen so viele Freiheiten im Rudel.“
Obwohl Sascha gerade erst dabei war, ihrem eigenen Verlangen nach Nähe nachzugeben und zu erkennen, dass Berührungen ebenso wichtig für sie waren wie Nahrung, spürte sie Tamsyns Bedürfnis wie einen zweiten Herzschlag. Sie legte ihre Hand auf die der Heilerin und Tamsyns Finger schlossen sich fest um ihre.
„Die ShadowWalker-Leoparden kamen nicht an unser Alphapärchen heran und beschlossen deshalb, einen Wächter anzugreifen, um etwas über unsere Verteidigungsstrategien zu erfahren. Lucas und seine Eltern jagten gerade im Wald, als sie umzingelt wurden. Hinterher wurde uns klar, dass die Angreifer wohl vorgehabt hatten, Carlo zu brechen, indem sie vor seinen Augen seine Frau vergewaltigten und folterten.“ Tamsyns Griff war jetzt so fest, dass Sascha fürchtete, die Knochen ihrer Hand würden zerbrechen.
Die Heilerin holte noch einmal tief Luft. „Aber sie hatten Shayla unterschätzt. Sie war nicht nur Heilerin, sondern auch Mutter und kämpfte um das Leben ihres Sohnes. Carlo brauchten sie lebendig, aber Shayla wurde bei dem Kampf getötet.“
„Tamsyn“, sagte Sascha, erschrocken über den Zorn in ihrer Stimme. Er war so schwer, so alt und stark, er war über die Jahre zu reinem Leid geworden.
„Nein, ich kann das nur einmal erzählen. Wenn ich diesen Raum verlasse, werde ich nie wieder darüber reden.“ In ihren Augen lag die Bitte um ein Versprechen, das Sascha ihr nur zu gerne gab. „Lucas war jung und viel schwächer als die erwachsenen Männer, die sie angriffen. Sie konnten ihn leicht im Zaum halten, als er versuchte, seine Eltern zu verteidigen.“
Sascha hatte Mitleid mit dem Panther, der so besitzergreifend und beschützend war. Daher stammte also sein Bedürfnis, ihr sein Zeichen aufzudrücken und sie zu schützen. „Haben sie seinen Vater gefangen genommen?“
„Ja. Sie schleppten Lucas und Carlo fort und vergruben Shaylas Leiche tief im Waldboden, damit wir nicht durch ihren Geruch gewarnt wurden. Aber es war nicht tief genug. Wir fanden sie.“
„Wann?“ Wie lange war Lucas in den Händen gnadenloser Mörder gewesen?
„Nach vier Tagen.“ Tamsyn klang, als litte sie unendliche Qualen. „Carlo war so schwer verletzt, dass man ihn nicht mehr retten konnte. Ich war gerade in der Ausbildung, eine Jugendliche. Shayla war unsere Heilerin gewesen und nun war sie von uns gegangen. Ich habe mich völlig verausgabt, konnte aber nichts mehr für ihn tun. Es war so, als wäre seine Seele schon mit Shayla fortgegangen.“ Tränen liefen über das Gesicht der Heilerin.
„Tamsyn.“ Mit dem eigenartigen, unerklärlichen, wundervollen Teil ihrer Seele, der Herzen heilen konnte, nahm Sascha der anderen den Schmerz ab. Er sackte schwer in sie hinein und Tamsyn konnte wieder leichter sprechen.
„Carlos letzte Worte waren: ‚Sie haben uns nicht gebrochen.‘ Da erst begriffen wir, dass Lucas noch am Leben sein musste. Die ShadowWalker-Leoparden hatten ihn versteckt, um ihn später mitzunehmen. Er lag nicht weit von
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