Ler-Trilogie 02 - Die Zan-Spieler
haben.“
„Nur zu wahr … und bis jetzt wissen wir noch nicht einmal genau, was dieses Problem ist, nicht wahr?“
„Ich freue mich, daß Sie mit unserer Deutung übereinstimmen!“ Plattsman wandte sich um und verließ Parleaus Büro.
9
Die besten Tragödien sind immer die, die von der Geschichte einiger weniger Geschlechter handeln, die entweder als Urheber oder als Leidende bei einer Schreckenstat mitgewirkt haben mögen.
Aristoteles, Poetik
Die Stelle, an der Maellenkleth und Krisshantem sich Raum zum Arbeiten und zum gesonderten Wohnen geschaffen hatten, blieb für Morlenden eigenartig vage, was die genaue Lage anging, obwohl der Junge Taskellan kaum von etwas anderem sprach während der langen Wanderung nach Osten durch den kahlen Winterwald der wilden nördlichen Provinzen des Reservats. Und während ihrer gemeinsamen Wanderung erfuhr Morlenden auch, daß der Junge mehr war als der unkomplizierte Flegel, als der er zuerst erschienen war. Wenn auch nicht zu leugnen war, daß es Taskellan an den meisten akzeptierten Umgangsformen mangelte, so war ebenfalls offensichtlich, daß er seinen beiden innenverwandten Geschwistern geradezu verehrenden Respekt entgegenbrachte und, wie es schien, die meisten von Maellenkleth Neigungen und Abneigungen teilte. Deren gab es viele: Maellenkleth hatte äußerst entschiedene Ansichten. Aber durch solche eher zweitrangigen Überlegungen war Morlenden erst fähig, langsam das Mädchen, nach dem er suchte, kennenzulernen. Was ihn jedoch weit mehr beeindruckte, war der sogar noch größere Respekt, den der Junge für den hifzer Krisshantem hatte. Morlenden rechnete jeden Augenblick fast damit, mitgeteilt zu bekommen, daß dieser Krisshantem sich außer auf seine anderen Fertigkeiten auch noch aufs Gesundbeten und das Auferwecken von Toten verstand.
Morlenden war weder überrascht noch verblüfft, selbst wenn er die Übertreibung berücksichtigte, mit der Tas wahrscheinlich seine Erzählungen würzte; ein hifzer lernte sicher rasch, beweglich zu sein, oder er würde ganz einfach nicht überleben. Und dieser hier überlebte allem Anschein nach recht gut. Er lebte allein in den Wäldern, fern jeder Behausung, und anscheinend ging es ihm glänzend. Aber außer der Lage des Baumhauses schien es keinerlei Möglichkeit zu geben, im voraus genau zu bestimmen, wo sich Kris aller Wahrscheinlichkeit nach aufhielt. Es war, als ob der hifzer- Junge einer inneren Variante des Heisenbergschen Satzes gehorchte – daß man einfach nicht vorhersagen konnte, wo er sein würde.
Krisshantem, so erzählte man sich – und wie sie so dahingingen, trat immer mehr davon zutage –, war und blieb ein unsteter Jäger und Sammler, der in loser Verbindung mit der Hulen-Webe, den Töpfern, stand. Kris kam weit herum und entdeckte verschiedene kleine Lehmvorkommen und tauschte diese bei den Hulens gegen die paar Dinge ein, die er nicht selber machen konnte. Im großen und ganzen benutzten die Hulens nur wenige Lehmsorten, und die waren in winzigen Mengen weit über das Land verstreut. Und selbst sie konnten nicht alles abdecken, und so war Kris so ganz am Rande eingesprungen. Und dort blieb er auch, still wie die Schatten eines Winterzweigs auf frischgefallenem Schnee. Er wanderte umher und suchte nach den richtigen Lehmschichten und mineralischen Tönungen; mit dem einen oder anderen der Hulens traf er gelegentlich zusammen, um Informationen auszutauschen.
Taskellan sagte: „Die Hulens sind auch verschlossen und verschwiegen. Sie haben selbst etwas Nomadenhaftes an sich, und sie ziehen umher, ohne viel zu reden. Sie gehen in den Wald an ihre bestimmten Stellen und kommen mit Lehm beladen zurück. Sie alle kommen vielleicht einmal in der Woche zusammen, und selbst dann reden sie nicht viel, oder jedenfalls könnte ich das nicht behaupten. Sie alle sind weit fortgeschritten auf dem Gebiet der Multisprache und benutzen sie untereinander häufiger als irgend jemand sonst, den ich kenne, außer vielleicht die Ältesten der Libellenhütte. Das heißt, wenn sie überhaupt reden. Mael hat sie durch Kris recht gut kennengelernt und mochte sie nach einer Weile ganz gern. Ihr Schweigen stieß sie zuerst zwar ab; sie redete, diskutierte, interpretierte alles mögliche immer gern. Aber sie sagte mir, daß sie auch gut zuhörten. Zum Beispiel so: Daß Kris ein gutes Flußbett mit viel Lehm ausfindig machen konnte, indem er einfach zuhörte, wie das Wasser dahinfloß und wie es plätscherte, die Art, wie
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