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Lerchenherzen

Lerchenherzen

Titel: Lerchenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Skjelbred
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hier, mit deinen erwachenden Sinnen und deinem verwunderten Lauschen auf meine Stimme. Ich will dir, mein Kleiner, alle meine Erinnerungen schenken, gib gut auf sie acht, denn wenn ich einmal nicht mehr bin, bleiben nur die Erinnerungen, die ich mit dir teilte, übrig, wie das hauchdünne, langsam vergehende Blütenblatt einer Pfingstrose, befestigt auf einem sorgfältig zurechtgeschnittenen Stück grauen Papiers.
    Meine Mutter sang oft das Kirchenlied von der Vergänglichkeit. Und vielleicht ist auf der Welt nichts so vergänglich wie Verliebtsein und Liebe. Nein! Ich will das nicht glauben! Du sollst das nicht glauben!
    Er war in jenem Sommer in Mathilde verliebt. Er muß es gewesen sein, denn ich glaube nicht, daß Harald ein böswilliger Schürzenjäger war. Aber vielleicht war er mehr in das Schmeichelnde ihrer Aufmerksamkeit verliebt als in sie selbst. Und unter Umständen sogar am allermeisten in das Bild, das sie sich von ihm zurechtgelegt hatte.
    Mathilde war die Erbin eines großen Hofes mitEssensglocke, aber ich glaube nicht, daß das für ihn wichtig war. Großbauer zu werden, war niemals sein Wunsch gewesen. Wichtiger war, wie schön sie war und ihm zugetan. Denn das war sie, ihm hingebungsvoll zugetan.
    So voller Glut und leidenschaftlich erfüllt, erblühte sie für ihren Liebsten in diesem Sommer. Ihre tiefen grauen Augen strahlten unter der hohen Stirn, auf der sich die feinen Haare zart kräuselten, denn sie trug noch Zöpfe wie ein junges Mädchen. Aber nachdem er ihr eines Nachts auf dem Heimweg über die Jakobsau die langen Zöpfe um den Kopf gewunden und provisorisch mit Margeriten und Lieschgras befestigt hatte, trug sie ihr Haar immer als geflochtenen Kranz. Wie sie es auch in all den Jahren tat, in denen ich sie kannte.
    Ja, sie war erblüht und dabei so schön, wie es nur die ganz seltenen Blumen sind, und so war ihre Blüte nicht von Dauer. Und auch die Schar der Freundinnen spürte ihre Veränderung und rückte näher, neugierig und verwundert. Nicht, daß sie wirklich Freundinnen fand, die hatte sie niemals. Sie ließ niemanden an sich heran, vielleicht mit Ausnahme der einen, Anna.
    Nein, auch Anna ließ sie nicht wirklich an sich herankommen. Aber sie mochte sie lieber als alle anderen, und sie war freundlicher zu ihr. Ihr Lachen war weniger spöttisch, und wenn sie mit Anna sprach, war ihre Stimme einen Hauch weicher.Vielleicht, weil Anna so wenig forderte. Sie war Mathilde gegenüber voller Bewunderung und hielt sich gern in ihrer Nähe auf, ohne sich um größere Vertraulichkeit zu bemühen. Aber falls Mathilde im Begriff war, diese stürmische Verliebtheit jemandem anzuvertrauen, dann wohl ihr. Und dann war es also ausgerechnet Anna, für die er sie verlassen würde.
    Wann war Anna zum ersten Mal in seinen Gedanken aufgetaucht, dieses anonyme kleine Mädchen? Sie war jünger als Mathilde und keineswegs schön, nicht einmal hübsch. Aber wo die Liebe nun mal hinfällt, wie es so schön heißt. Vielleicht nahm er sie zum ersten Mal richtig wahr, als er die Arme hochstreckte, um sie von der Heufuhre herunterzuheben. Sie war da und half in diesem Sommer auf Ås beim Heuen. Dieses rundliche kleine Wesen, das so anstellig war und in dessen Augen die Lachlust aufblitzte, war so ganz anders als Mathilde. Wie Feuer und Wasser, kann man sagen. Wenn Mathilde wie das heiße und verzehrende Feuer war, so war dieses Mädchen wohl wie klares und erfrischendes Wasser. Nachdem er einige Wochen lang mit sich gekämpft hatte, kannte er keinen anderen Gedanken mehr, als sich in das ruhige klare Wasser gleiten zu lassen.

13
    Eine fröstelig kalte Oktobernacht liegt über der Jakobsau. Der Vollmond wirft seinen kalten Schein über Scheune und Au, und wohl niemals hat das Scheunentor so herzzerreißend in den Angeln gekreischt wie jetzt – wann soll Jakob sie schmieren? Das Tor geht auf, und ein junger Mensch stürzt heraus und rennt so schnell er kann über die Wiese. Halb verwelktes Gras peitscht um seine Beine, und seine Hosenbeine sind bis hoch an die Knie vom Tau triefend naß.
    Voller Scham verspürt er ein Gefühl der Erleichterung darüber, daß er entkommt. Aber vor allem ist er verzweifelt – über das Leben, über sich selbst, über die Zufälligkeiten, die ihn in diese Situation gebracht haben.
    Man kann nicht Diener zweier Herren sein – und man kann nicht zwei Frauen lieben. Und wenn es einem nicht selbst gelingt, herauszufinden, wen man sich am meisten wünscht, dann greift der Zufall

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