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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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hatte.
    Inzwischen hatten die Banditen sich wieder gefaßt.
    »Sei unbesorgt«, sagte Bigrenaille zu Thénardier, »mit dem einen Bein hängt er noch, und für den Strick bürge ich. Den habe ich verknotet.«
    Jetzt erhob der Gefangene die Stimme:
    »Ihr seid Elende, aber mein Leben ist nicht wert, daß ich es mit solcher Mühe verteidige. Wenn ihr euch aber einbildet, ihr werdet mich zum Sprechen bringen oder mich zwingen, etwas zu schreiben,was ich nicht schreiben will …«, er schob den linken Ärmel zurück: »seht her!«
    Er legte den glühenden Meißel, den er in der Rechten hielt, auf das Fleisch. Man hörte ein Aufzischen, und dieser widerwärtige Geruch, der den Torturkammern eigentümlich ist, verbreitete sich in der Stube. Marius fuhr entsetzt zurück, und sogar die Banditen schauderten. Der seltsame Greis aber zuckte kaum mit den Wimpern, während das rote Eisen in die blutende Wunde eindrang, sondern richtete seinen strengen Blick ohne Haß auf Thénardier.
    »Ihr Elenden«, rief er jetzt, »fürchtet euch nicht mehr vor mir, als ich euch fürchte.«
    Dann riß er den Meißel aus der Wunde und schleuderte ihn zum Fenster hinaus.
    »Und jetzt tut mit mir, was ihr wollt.«
    Er war entwaffnet.
    »Vorwärts!« schrie Thénardier.
    Zwei der Banditen legten ihm die Hand auf die Schultern, und ein Maskierter, der mit einer Art Bauchstimme sprach, stellte sich mit dem schweren Schlüssel hinter ihn, um ihm im Notfall den Schädel einzuschlagen.
    Im nächsten Augenblick hörte Marius folgende Worte rasch und leise gesprochen:
    »Jetzt bleibt uns nichts mehr übrig.«
    »Schluß mit ihm!«
    »Richtig.«
    Thénardier und seine Frau hatten beratschlagt.
    Er näherte sich langsam dem Tisch, zog die Lade heraus und entnahm ihr das Küchenmesser.
    Bis jetzt hatte Marius gehofft, vergeblich gehofft, er werde ein Mittel finden, den einen zu retten, ohne den andern zu verderben. Nun war kein Aufschub mehr möglich. Thénardier stand mit dem Messer vor dem Gefangenen und lauerte.
    Der entsetzte Blick Marius’ irrte mechanisch durch sein Zimmer. Plötzlich zitterte er. Ein heller Strahl Mondlicht fiel auf ein Blatt Papier, das zu seinen Füßen lag. Auf dieses Blatt hatte heute morgen die ältere Tochter Thénardier geschrieben:
    »Die Polente ist da!«
    Blitzhaft fuhr ein Gedanke durch Marius’ Gehirn. Das war vielleicht die Lösung, die er suchte. Er bückte sich, streckte den Armaus, hob das Papier auf, knüllte es zusammen und warf es durch sein Guckloch mitten in den Raum.
    Es war die höchste Zeit. Thénardier hatte offenbar seine letzten Bedenken überwunden und trat eben auf den Gefangenen zu.
    »Da fällt etwas herein!« schrie die Thénardier.
    »Was?«
    Die Frau hatte das zusammengeknüllte Papier aufgehoben, sie reichte es ihrem Manne.
    »Wo ist das hergekommen?« fragte Thénardier.
    »Woher soll das kommen?«
    »Durchs Fenster doch.«
    »Ich habe es fliegen gesehn«, sagte Bigrenaille.
    Thénardier faltete das Blatt auseinander und näherte es der Kerze.
    »Eponines Schrift. Verdammt!«
    Er winkte seiner Frau, zeigte ihr das Blatt und sagte dann leise:
    »Rasch, die Strickleiter! Wir lassen sie in den Hof und hauen ab.«
    »Ohne den Kerl da abzukillen?«
    »Keine Zeit!«
    »Wo hinaus?«
    »Durchs Fenster. Da Ponine das Papier durchs Fenster hereingeworfen hat, muß dieser Ausweg noch frei sein.«
    Schon hatten die Banditen den Gefangenen losgelassen. Im nächsten Augenblick war die Strickleiter aufgerollt und wurde am Fensterkreuz befestigt.
    Der Gefangene achtete der Dinge kaum, die rings um ihn geschahen. Er schien zu träumen oder zu beten.
    »Komm, Bürgerin!« rief Thénardier.
    Sie eilte zum Fenster.
    Im selben Augenblick aber riß Bigrenaille sie zurück.
    »Holla, ihr Schwindler, nach uns!«
    »Erst wir!« riefen auch die andern.
    »Ihr Kindsköpfe«, rief Thénardier, »wir wollen doch keine Zeit verlieren.«
    »Sollen wir etwa losen, wer als erster hinaussteigt?«
    »Ihr seid ja verrückt!« schrie Thénardier, »vollkommen auf den Kopf gefallen! Wollt ihr vielleicht die Namen auf Zettel schreiben und die Zettel in einer Mütze sammeln?«
    »Darf ich Ihnen meinen Hut anbieten?« fragte eine Stimme von der Tür her.
    Alle wandten sich um.
    Es war Javert, der ihnen lächelnd seinen Hut hinhielt.
Man soll immer zuerst die Opfer verhaften
    Zuerst hatte Javert sich bestrebt, die Töchter Thénardiers in die Hand zu bekommen. Aber er hatte nur Azelma erwischt. Eponine hatte ihren Posten verlassen und

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