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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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mürrische, schwerhörige Person, beobachtete Jean Valjean aufmerksam, ohne daß er es bemerkte. Ihr schlechtes Gehör hatte zur Folge, daß sie zur Geschwätzigkeit neigte. Sie besaß noch zwei Zähne aus ihrer besseren Vergangenheit, einen im Oberkiefer, einen im Unterkiefer, und diese beiden pflegte sie gegeneinanderzupressen. Ursprünglich hatte sie Cosette auszufragen versucht, aber nur wenig herausbekommen, da die Kleine nur anzugeben wußte, sie sei aus Montfermeil. Eines Morgens aber bemerkte die Spionin, daß Jean Valjean auf sonderbare Weise sich in dem unbewohnten Teil des Hauses zu schaffen machte. Mit dem Schritt einer alten Katze folgte sie ihm und konnte, ohne selbst bemerkt zu werden, durch einen Türschlitz beobachten, wie er, offenbar aus Vorsicht, mit dem Rücken gegen die Tür stehend, ein Etui aus der Tasche zog, diesem Nadel und Zwirn entnahm und den Schoß seines Rockes aufzutrennen begann; dannnahm er ein gelbliches Papier, das er entfaltete, aus dem Versteck. Mit Schrecken erkannte die Alte einen Tausendfrankenschein. Es war wohl der zweite oder dritte, den sie in ihrem Leben zu sehen bekam. Außer sich vor Erregung lief sie davon.
    Kurz nachher kam Jean Valjean zu ihr und bat sie, diesen Tausendfrankenschein zu wechseln; er habe, wie er sagte, gestern abend seine halbjährlichen Zinsen erhalten. Wo nur? dachte die Alte – ist er doch erst um sechs Uhr ausgegangen, und um diese Stunde halten die Kassen der Staatsbank doch gewiß nicht offen.
    Die Alte wechselte den Schein, hielt aber nicht reinen Mund. Diese Banknote, reichlich kommentiert und vervielfältigt, gab den Gevatterinnen aus der Rue des Vignes-Saint-Marcel Anlaß zu erregten Diskussionen.
    An einem der folgenden Tage trug es sich zu, daß Jean Valjean in Hemdsärmeln auf dem Korridor Holz sägte. Die Alte war gerade im Zimmer und räumte auf. Sie benützte die Gelegenheit, näherte sich dem Rock Jean Valjeans, der an einem Nagel hing, und untersuchte ihn. Die Naht war wieder vernäht. Die wackere Frau betastete das Kleidungsstück und glaubte in den Schößen und Taillen Papierbündel zu fühlen. Offenbar wieder Tausendfrankenscheine!
    Überdies bemerkte sie, daß noch sonst allerlei in den Taschen steckte. Da waren nicht nur das Nähzeug, das sie schon gesehen hatte, sondern auch eine dicke Brieftasche, ein sehr großes Messer und – verdächtig genug – einige Perücken in verschiedenen Farben. Es war, als ob in jeder Rocktasche eine Maskierung für bestimmte, unvorhergesehene Fälle vorbereitet wäre.
Ein Fünffrankenstück rollt lärmend über den Boden
    Bei Sankt Medardus gab es einen Bettler, der auf dem Randstein eines zugeschütteten Brunnens zu hocken pflegte und dem Jean Valjean oft ein Almosen zusteckte. Nie ging er an ihm vorbei, ohne ihm einige Sous zu reichen. Zuweilen sprach er sogar mit ihm. Andere Bettler, die diesem offenbar mißgünstig waren, behaupteten, er sei ein Polizeispitzel. Tatsache ist, daß er ein ehemaliger Kirchendiener und fünfundsiebzig Jahre alt war; fast nie hörte er auf, Gebete vor sich hin zu murmeln.
    Eines Abends kam Jean Valjean dort vorbei. Er hatte Cosettenicht bei sich. Unter einer Laterne, die eben angezündet worden war, bemerkte er den Bettler an seinem gewohnten Platz. Wie immer, betete er, tief vorgebeugt, vor sich hin. Jean Valjean trat zu ihm und bot ihm sein gewöhnliches Almosen. Plötzlich blickte der Bettler auf, sah Jean Valjean scharf ins Gesicht und beugte sich unverzüglich wieder vor. Diese blitzhaft schnelle Bewegung genügte, um Jean Valjean erzittern zu lassen. Ihm war, als ob er im Schein der Laterne nicht das schicksalsergebene, gutmütige Gesicht des alten Kirchendieners, sondern ein furchtbares, nur zu bekanntes Gesicht gesehen hätte. Ihm war zumute wie einem Manne, der sich unversehens einem Tiger gegenüberstehen sieht. Erschrocken, fast zu Stein erstarrt, fuhr er zurück; er wagte weder zu atmen noch zu sprechen, konnte weder bleiben noch enteilen. Der Bettler hielt den Kopf wieder vorgebeugt und schien nicht weiter auf ihn zu achten. Ein Instinkt, vielleicht der geheimnisvolle Trieb der Selbsterhaltung, hielt Jean Valjean davon ab, ein Wort zu sprechen. Der Bettler hatte die gleiche Figur, die gleiche Haltung, dieselben Lumpen wie immer.
    Ich bin verrückt, dachte Jean Valjean. Ich träume. Es ist unmöglich.
    Tief beeindruckt ging er nach Hause.
    Kaum wagte er sich selbst einzubekennen, daß er glaubte, Javert erkannt zu haben.
    Als er nachts darüber

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