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Lesereise - Afrika

Lesereise - Afrika

Titel: Lesereise - Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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Land, das nichts auslässt, um sich in den Ruin zu treiben. Ich fahre ins »Ministry of Interior – Aliens Section«. Jeder, der Khartoum, wohin auch immer, verlassen will, benötigt eine »permission«. Ich betrete genau zur Öffnungszeit um neun Uhr fünfundvierzig das zuständige Büro, und der Wahnsinn holt aus. Es brauchte einen Nestroy, um den Witz, den Aberwitz der folgenden Stunden gebührlich festzuhalten.
    Nachdem ich ohne Kohlepapier drei identische Formulare – Personalien, Geldbesitz, wohin genau, warum gerade dorthin, warum gerade jetzt dorthin, Vorleben, Zukunft, Aufenthaltsdauer, Transportmittel, Einreiseort, Ausreiseziel – ausgefüllt habe, springe ich acht Mal zwischen zwei Beamten hin und her, weil einer stempelt und der andere etwas anmerkt, der Stempler das Angemerkte wieder stempelt und ich das jetzt doppelt gestempelt Angemerkte wieder zum Anmerker zurückbringe, um es neuerlich anmerken zu lassen. Wichtig noch: Nach dem vierten Durchgang werde ich weggeschickt, um »stamps« zu holen. Ich finde den zuständigen Mitarbeiter draußen im Gras liegen und bitte ihn, gegen Gebühr, ein paar Stempelmarken aus seiner Hosentasche zu ziehen.
    Ist alles gestempelt und angemerkt, muss ich ins »Ministry of Security«. Der Taxifahrer findet es nicht, wieder zurück zum Innenministerium. Inzwischen sind die Herren beim Frühstück, bloße Knochen liegen auf der Tischdecke. Ich soll warten, jetzt habe niemand Lust auf Auskünfte. Einer der wachhabenden Soldaten zeigt Erbarmen und beschreibt dem Fahrer den Weg. Bei der Security erklärt man mir, dass drei Formulare nicht reichen, es müssen vier sein. Zum dritten Mal ins Innenministerium. Die Fleischfresser sind fertig, das benötigte Formular wird abgestempelt und angemerkt. Seltsamerweise nur sieben Mal. Der Taxifahrer weiß jetzt Bescheid, es geht sofort zurück zum Sicherheitsministerium. Wieder falsch. Nun heißt es, ich müsse zuerst zur »Hotels and Tourist Corporation«.
    Die zweite Runde Irrfahrten mit dem Taxi. Wir fragen zwölf Mal, und der Dreizehnte weiß Bescheid. In der »Corporation« versucht man sogleich, mich abzuwimmeln. Heute sei »half holiday«, kaum jemand würde arbeiten. Ich werde laut und scharf und verlange, den Chef zu sprechen. Das klappt. Der versucht eine andere Ausrede, erzählt glatt, dass es hier noch nie Permission und Stempel gegeben hätte. Ich entschließe mich zu einer großen Geste und produziere einen Heulkrampf. Mein schweißgebadetes Gesicht passt gut, die Augen wirken nass und verzweifelt. Das rührt. Das Faultier erhebt sich und verlässt das Büro. Mit einem fünften, schon abgestempelten Formular kommt er zurück. Das reicht. Vorläufig.
    Wieder ins Sicherheitsministerium. Einer will mich ins Wartezimmer vertrösten (»only five minutes«) und vergessen. Der zweite Rezeptionist sieht mir die Mordlust an und führt mich ins Büro eines Offiziers, der höflich mitteilt: »Sorry, no permission.« Der Westen des Landes wäre zu gefährlich. Rebellen aus dem Tschad, die Nähe zum eigenen Bürgerkrieg, Stammesfehden, bewaffnete Überfälle auf Lorries. Ich soll nach Kenia fliegen, von dort versuchen, in den Osten einzureisen. Ich lehne ab, erkläre mich bankrott und bereit, alle Verantwortung zu übernehmen. Das gefällt ihm. Nach drei kurzen Intermezzi in drei verschiedenen Büros setze ich mich nieder zur Unterschrift: Was immer mir passiert, ich allein bin dafür verantwortlich. Die Regierung des Sudan verweigert jede Zuständigkeit.
    Dann schickt man mich auf die Straße, hundert Meter weiter rechts gebe es ein Fenster mit Gitter, dort solle ich klopfen. Eine »Zweigstelle« des Ministeriums. Ich klopfe und gebe meine gesammelten Papiere plus Pass ab. Einundfünfzig Minuten glühe ich in der Mittagssonne. Ein Wachsoldat sitzt in einem Jeep und spielt mit seinem Revolver. Der Fahrer hört Radio, Koranstunde. Als ich die Papiere zurückerhalte, bin ich bereits Menschenhasser. In diesem Zustand noch ein letztes Mal ins Innenministerium. Mit heiligenmäßiger Beherrschung trete ich vor den Stempler und Anmerker. Und sie stempeln und merken an, ad infinitum absurdum.
    Nach siebeneinhalb Stunden ist es soweit. Mit der Null stolpere ich hinaus ins Freie. Ich lache schon wieder, unter » NB « steht: »Holder is not allowed to drive through Sudan.« Das will nichts meinen. Die Überschrift zählt. Und der Schlusssatz steht nur zur Erinnerung an den Irrsinn, der hier amtshandelt.
    Während der Stressorgie fiel mir ein

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