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Lesereise Friaul und Triest

Lesereise Friaul und Triest

Titel: Lesereise Friaul und Triest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Schaber
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gespenstisch, sie wird zur Kulisse. Dahinter die Straßen, kaum Verkehr, niedrige Häuser, Ruhe. Die ideale Stadt, am Reißbrett entworfen. Das wirkliche Leben bleibt ausgesperrt.
    Als die Venezianer das Friaul erobert hatten und samt Markuslöwen hier heimisch zu werden suchten, war das Land noch lange nicht befriedet. Immer wieder galt es, die hereinbrechenden Osmanen abzuwehren. Krieg brach aus, als Venedig die Nachfolge der Grafen von Görz antreten wollte und gegen Österreich kämpfte – und verlor. Gleichzeitig drohte Gefahr von innen: Venedig sandte zwar einen luogotenente in das Schloss von Udine, einen Statthalter, der Udine repräsentativ ausbauen und mit den Insignien der venezianischen Machthaber ausstatten ließ. Doch der hatte es schwer, sich gegen die gewachsenen politischen Strukturen durchzusetzen. Das Friaul war in unzählige Herrschaftsbereiche zersplittert, aufgeteilt auf alteingesessene, größtenteils aus Österreich und Deutschland stammende Adelsfamilien. Manche herrschten nur über einen Ort, andere über ein kleines Stück Land. Schon Anfang des 13. Jahrhunderts hatten sie sich in einem friulanischen Parlament zusammengefunden und dort die Legislative organisiert.
    Traditionen, die sich von den Venezianern nicht so leicht brechen ließen, wie auch der Dichter Ippolito Nievo berichtete: »Das Friaul gehorchte noch immer sechzig oder siebzig Familien, die, von jenseits der Alpen stammend, seit Jahrhunderten im Lande und in den verschiedenen Gebieten die Gerichtsbarkeit innehatten. Sie herrschten nahezu unumschränkt. Wenige dieser Herren, die Recht sprachen, wussten etwas vom Gesetz, und die Abgeordneten des Bezirks wussten davon natürlich noch weniger. Ich glaube nicht, dass alle Toskanisch verstanden; dass keiner es sprach, ist erwiesen genug aus ihren Erlässen und Beschlüssen, die nach einer kleinen Einleitung in Latein ein Gemengsel von Italienisch, friulanischem und venezianischem Dialekt aufweisen, dass es für jemanden, der lachen will, nicht unergötzlich ist. Aus alledem wird eines ersichtlich: Wenn das vortreffliche Parlament des Vaterlandes bei seiner Durchlaucht dem Dogen um die Erlaubnis nachsuchte, über eine bestimmte Vorlage zu beraten, so war das Gesetz schon zwischen Seiner Exzellenz dem Statthalter und dem Hohen Rat der Zehn genauestens vereinbart.«
    Dass von solchen Vereinbarungen Agenden des Feudal- und Privatrechts ausgeschlossen blieben, versteht sich von selbst, niemals hätten die Burgherren geduldet, diese auch nur zu erörtern. Sie, die sich seit Urzeiten als Regenten und dem Kaiser treu fühlten, verachteten die Venezianer und jene Familien, die in deren Gefolge ins Friaul zogen und dort zu Geld kamen. Mochten die doch ihre Häuser bauen und die Felder bestellen, wer in den Burgen saß, hatte den trutzigen Blick. Bis heute sind die Schlösser und Bastionen der Colloredos, Thurns oder Porcias mächtige Gebäude, die das Land bewachen und die Identität einer Region mitbestimmen: die Villa Colloredo in Susans, die Burgen von Colloredo di Monte Albano, Villalto und Spilimbergo oder die Villa Thurn-Valsassina in Ziracco. Von diesen uralten Adelssitzen aus beobachtet man, wie immer neue Villen entstehen. Aus Venedig wechselt eine neue Formensprache ins Friaul, zu bewundern in unzähligen Anwesen, wie der Villa Florio in Perseriano, der Villa Piccoli in Soleschiano oder der Villa Gallici-Deciani in Montegnacco. Ein eigener Stil bildet sich aus, vielfach variiert: ein kubisches Herrenhaus mit drei Etagen und daran anschließend die lang gestreckten Neben- und Wirtschaftsgebäude.
    Prächtige Visitenkarten. Dabei beließ man es. Die Venezianer kümmerten sich nicht weiter um ihre neuen Herrschaftsgebiete. Unter ihrer Ägide erlebte das Friaul eine elende Zeit: Epidemien und Hungerkatastrophen dezimierten die Bevölkerung, die Bauern brachen unter der Steuerlast zusammen und verarmten. Das alte Gemeindeland wurde eingezogen und an reiche Patrizier aus dem Veneto und der Lombardei verkauft. Allein die Städte erlebten eine Blüte: Reiche Familien ließen sich in und um Udine und Pordenone Paläste bauen, viele davon im venezianischen Stil.
    Nur dort, wo die Venezianer Land trockenlegten und urbar machten, entwickelte sich die Landwirtschaft: in der südlichen Ebene des Friaul, der Gegend von Palmanova und Pordenone. Hier sorgten große Güter dafür, dass es den Dogen und Patriarchen an nichts fehlte. Die Serenissima machte das Friaul zu ihrer Kornkammer, ihrem

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