Lesereise Kulinarium - Spanien
auch äußerst gefährlich. Und nur in der Hochsaison betreiben ein paar junge Leute aus dem nahen Cangas de Onís mitten in der Bergeinsamkeit einen Kiosk am Wegrand und verkaufen im Kanal gekühltes Mineralwasser, das frühmorgens mit Maultieren hinaufgebracht wird.
Doch man sollte die Senda del Cares im Sommer meiden. Besonders an Wochenenden herrscht dann Hochbetrieb auf dem Weg durch den Canyon. Die Garganta del Cares ist am schönsten an einem Werktag im Frühling oder Herbst. Dann ist man wie Manuel aus Madrid allein mit den Bergziegen, mit den Schwärmen von blassblauen Schmetterlingen, die zwischen den Farnen und Bergblumen auffliegen. Am Himmel ziehen Raubvögel ihre Kreise. Tief unten in der Schlucht leuchtet dunkeltürkis der Río Cares. Wer von Asturien aus zeitig aufgebrochen ist, kann nach dem Rückweg mit dem Wagen in einer guten halben Stunde an der Küste sein und sich in die Wellen werfen. Oder Käse einkaufen gehen.
Claudia Diemar
Ein Königreich für die Erdmandel
Valencia ist Heimat der »Horchata«
Der Kontrast könnte größer nicht sein. Ein simpler Karren steht in der erhabenen Leere, die das futuristische Architekturensemble umgibt. »Ciudad de las Artes y las Ciencias« nennt sich Valencias hypermoderner Ausstellungskomplex. Riesige, türkis schimmernde Wasserbecken umgeben wie Schwimmbäder für Giganten die blendend hellen Gebäude von Santiago Calatrava. Neben dem Wissenschaftsmuseum, dessen Streben sich wie überdimensionale Fischgräten in den Boden stemmen, steht ein archaisch wirkender Rollkarren mit Kühlkessel. Fleißig rührt die Verkäuferin mit dem weißen Häubchen die elfenbeinfarbige Brühe mit den klirrenden Eiswürfeln um und schenkt den gefragten Vitalstoff in Bechern aus. Vor der Erfrischungsambulanz hat sich längst eine Schlange gebildet. Doch sogar Spanier aus weiter entfernten Provinzen sind zuweilen ratlos, was hier verabreicht wird. Viersprachig liegen daher am Stand die Flyer aus, die erklären, was es mit der horchata auf sich hat. Wem das nicht genug an Produktinformation ist, darf vom Grundstoff knabbern. In Form und Größe Hasenkötteln nicht unähnlich, liegen die braunen Erdmandeln getrocknet zum Probieren aus. Viel Kraft in den Zähnen braucht es, um sie zu zerbeißen, dann offenbart sich endlich der nussig-mehlige Geschmack der chufas , wie sie in Spanien genannt werden. Überwältigend dagegen präsentiert sich die flüssige Form der Feldfrüchte. Sahnig-süß und kühl rinnt die horchata durch die Kehle, legt sich wie feiner Puder auf den Gaumen, der nach weiteren Schlucken verlangt. Horchata gibt es in jedem spanischen Supermarkt, freilich nur als pasteurisierte Ware. Frisch gemachte horchata aber findet sich fast ausschließlich in und um Valencia, wo man der köstlichen Erfrischung in speziellen horchaterías huldigt.
Wie bei allen Mirakeln der iberischen Halbinsel gehört auch zur horchata eine Legende. Man schreibt das Jahr 1238. König Jaime von Aragón, genannt der Eroberer, reitet unter der sengenden Sonne gen Südosten, um die Stadt Valencia von den Mauren zu befreien. Weit ist der Weg und der Durst groß. Rettung naht, als man durch ein Dorf kommt, wo ein freundliches Bauernmädel dem Tross einen Krug entgegenstreckt. Natürlich darf sich der König zuerst erfrischen. Das dargebotene Getränk mundet, ist seiner Hoheit jedoch völlig unbekannt. »Qué es això?«, soll der zungenfertige Herrscher in fließendem Valencianisch gefragt haben, als er zu wissen begehrte, um was es sich hier handele. »Llet de xufes« – Erdmandelmilch, antwortete ihm das schöne Kind. Entzückt vom guten Geschmack stellte seine Hoheit klar: »Això es Or, Chata« – dies hier ist Gold, Mädchen.
Genau jene Mauren, gegen die König Jaime zu Felde zog, sollen einst die chufas nach Spanien gebracht haben. Die wahre Heimat der Erdmandel, im englischen Sprachraum Tiger Nut genannt, liegt nämlich im Orient. Die getrockneten Früchte wurden bereits den Pharaonen als Knabberzeug mit ins Grab gelegt. In Spanien wird die tolle Knolle direkt vor den Toren Valencias angebaut. Die Horta, ein fruchtbares Bauernland, das vor allem für seine Orangen gerühmt wird, ist seit Maurenzeiten ein exzessiv landwirtschaftlich genutztes Gebiet. Im Frühjahr werden die Setzlinge des Erdmandelgrases Cyperus escentulus ausgebracht. Bald sprießt die büschelartige Pflanze aus den sandigen Äckern. Die eigentliche Feldfrucht reift unter der Erde als knotenartige Knollen am Ende des
Weitere Kostenlose Bücher