Lesereise Prag
Geldbuße, weil sie zu hohe Fahrpreise berechnet hatten.
Hauptstadt der Hunde
Die Liebe der Prager zu ihren Haustieren
Es war ein Tag der Trauer, und Dagmar Havlová ließ mitteilen, für sie, für ihren Mann und für die nahen Freunde sei dies »ein großer und schmerzlicher Verlust eines Familienmitglieds«. Die bekannte Prager Schauspielerin und Ehefrau des früheren Staatspräsidenten Václav Havel hatte den Tod ihrer Boxerhündin Sugar zu beklagen, die im Alter von vierzehneinhalb Jahren »im Kreise ihrer Angehörigen« entschlafen war. Sugar war, wie es in einer Pressemitteilung weiter hieß, »ehrenamtliche Mitarbeiterin« der Krebsstiftung Vize 97, die Dagmar und Václav Havel ins Leben gerufen haben. Und Sugar begleitete ihre Herrin regelmäßig ins Büro der Stiftung, »wo sie zu einem untrennbaren Bestandteil des Arbeitsteams wurde«.
Man mag es übertrieben finden, wenn um den Tod eines Hundes so viel Aufhebens gemacht wird wie im Jahr 2006 im Fall der Havels. In Prag jedoch fällt solch ein salbungsvoller Nekrolog weniger arg aus dem Rahmen als in anderen Teilen Europas. Die Tschechen nämlich sind nicht nur Europameister im Bücherlesen und im Biertrinken (wobei im letzteren Fall Millionen Touristen kräftig mithelfen), sondern sie haben auch ein großes Herz für Haustiere. Nach einer Untersuchung der Marktforschungsgesellschaft GfK Czech in Prag wird in einundvierzig Prozent der tschechischen Haushalte ein Hund gehalten.
Bei zehn Millionen Einwohnern und 4,2 Millionen Haushalten heißt dies, dass im Land nicht weniger als 1,7 Millionen dieser Tiere leben, die dem Menschen seit Jahrtausenden als Kulturfolger nahe sind. Anderswo ist dieser Anteil weit niedriger. In Deutschland beispielsweise liegt die Quote nach Angaben des Verbands für das Deutsche Hundewesen bei dreizehn Prozent der Haushalte, in Österreich bei fünfzehn Prozent. Nur Irland, Belgien und Frankreich reichen mit sechsunddreißig, siebenunddreißig und achtunddreißig Prozent einigermaßen an die Tschechen heran. »Wir sind eine Nation von Hundehaltern«, schrieb deshalb die Prager Zeitung Mladá Fronta Dnes . »Die Tschechen vergöttern die Hunde.« Von jenen neunundfünfzig Prozent, die keinen besitzen, hätten nach einer anderen Umfrage dreiundzwanzig Prozent gerne ebenfalls ein solches Tier, nur dass die Wohnverhältnisse oder andere Gründe dagegen stehen.
Besonders zahlreich sind die Vierbeiner, wie in anderen Ländern, natürlich auf dem Dorf. Aber auch in der Hauptstadt Prag mit ihren 1,2 Millionen Einwohnern gehören die Hunde zum Erscheinungsbild. Knapp achtundachtzigtausend sind hier amtlich gemeldet, allerdings dürfte ihre wahre Zahl nach Einschätzung von Experten um mindestens ein Drittel höher und also weit über hunderttausend liegen. Im Alltag teilt sich dies allein schon dadurch mit, dass in der Innenstadt recht häufig bei den Abfallkörben Behälter mit jenen hellbraunen Tüten zu finden sind, in die der Hundehalter die Exkremente seines Lieblings packen soll. »Damit sich Ihr Hund nicht zu schämen braucht«, wie die Aufschrift verkündet.
Zudem ist morgens und abends in der Dämmerung, wenn die Fäkalbedürfnisse der Tiere den Halter zum Gang auf die Gasse nötigen, eine Häufung von Hunden auf den Wegen zu den Grünflächen festzustellen. Auf der Kleinseite zum Beispiel, unterhalb des Klosters Strahov, offeriert der alte Abtsgarten reichlich Wiesen, Hänge und Gebüsche, die für eine Düngung dankbar sind. Aber auch am späteren Abend, wenn der Stammtisch ruft, werden die Hunde nicht unbedingt weggesperrt. In Altstadtkneipen wie dem Gasthaus »Zum aufgehängten Kaffee« unweit des Hradschin sind Dackel, Spitz und Labrador regelmäßig mit Herrchen oder Frauchen zu Gast. Sensibel steigt der Kellner mit seinen Seideln voller Bier über sie hinweg, wenn sie am Boden vor dem Tresen liegen. Und für den Hundedurst steht stets ein Wassernapf bereit.
In Prag gehört der Hund dazu, genauso wie das Bier, die Karlsbrücke, das Eishockey und der Jazz. Schon das Nationalepos des erprobten Kneipenhockers Jaroslav Hašek über die Abenteuer des braven Soldaten Švejk vermerkt ja im ersten Absatz, dass der Herr Švejk, nachdem er von der militärärztlichen Kommission endgültig für blöd erklärt worden war, sich in Prag durch den Verkauf von Hunden ernährte, »hässlichen, schlechtrassigen Scheusälern, deren Stammbäume er fälschte«. Und sein Feind, der k.u.k. Detektiv und Denunziant Bretschneider, endet
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