Lesereise Rom
hat eine quasi erotische Sehnsucht nach einem Bad in der kühlen Frische geweckt. Und vollends taucht das Münzenritual den Ort in den Sprühdunst einer Gefühligkeit, die Stunde um Stunde bis in die späte Nacht hinein Tausende von Rombesuchern herbeizieht.
Belustigt schauen sie und lauschen, wie es plätschert, rieselt, rauscht, wie es gurgelt, sprudelt, sprüht und schäumt. Hier gibt es Schönheit zu fotografieren, mit Frau im Vordergrund. Hier ist der Mensch Tourist, hier darf er’s sein. Hier wirft er Münzen, Münzen, Münzen hinter sich und wünscht sich was dabei. Nur, was wird aus den Münzen?
Montags morgens kommen in giftgrünen Stulpenstiefeln die Arbeiter der Firma Verticchiound schalten den Brunnen ab. Nichts rieselt oder sprüht mehr, der Wasserspiegel sinkt. Unerhörte Stille greift Raum, Weihestunde für die Anwohner der Piazza Trevi, während die Arbeiter mit Gummirechen im vorderen Teil des Bassins die Münzen zu einem Deich zusammenschieben. Feuerzeuge, Löffel, Armbänder und Plastikbecher werden ausgemustert.
Dann ziehen die Männer ein seltsames Gefährt herbei, einen stählernen Zylinder, aus dem armdick ein drahtversteifter Schlauch hervorragt. Dies ist der Geldsauger der Fontana di Trevi. Weithin hörbar prasselt es im Zylinder, und es heult die Motorpumpe, wenn die Arbeiter das Maul des Schlauches an den Münzen-Deich heranfahren und ihn Meter um Meter vertilgen lassen. Immer wieder wird der Zylinder geöffnet, ein wasserträufelnder Siebeinsatz mit Geldstücken herausgehoben und in einen Eimer entleert. Die Münzen enden in Plastiksäckchen, welche von zwei Polizistinnen der römischen Stadtwache, 1. Gruppe Montecatini, zugebunden, mit einer Zange verplombt und auf einer Treppenstufe aufgereiht werden.
»Wie viel wird es sein?«, ruft von jenseits der Absperrung ein Zuschauer herunter. Reichlich ist es, es summiert sich. Im Jahre 1994 haben die Touristen allein in italienischer Währung nicht weniger als 360.901.560 Lire im Wasser versenkt, umgerechnet etwa hundertsechzigtausend Euro, 1992 etwa achtzigtausend Euro. In jener Zeit, als noch die Gassenjungen oder die Eckensteher der Altstadt die Münzen aus dem Wasser fischten, teilweise mit Magneten, kam mancher in einer Nacht auf einen Batzen von mehr als fünfhundert Euro. Ein Gericht hat dies damals sogar für Rechtens erklärt mit der Begründung, die Geldstücke seien niemandes Besitz gewesen, »nullius res«, wie Juristen sagen. Längst hat sich inzwischen die Stadt Rom zur Eigentümerin der Brunnenschätze erklärt und Vorschriften erlassen. Demgemäß werden die Münzen der Fontana di Trevi, sind sie erst einmal verpackt, verschnürt und verplombt, dem städtischen Schatzamt und anschließend der Firma Metro Security Express ausgehändigt, die fernab vom Trevibrunnen in der Via Aurelia Nr. 479 in einem scharf bewachten Betonkeller allerlei Sicherheitsdienste verrichtet. Hinter Eisentüren ist dort Herr Uleano Orlandi, dreiundsechzig Jahre alt, zu finden, ein Mann mit grauem Kittel und grauen Augen, mit nichts beschäftigt als mit Münzen, Münzen, Münzen, oft zwei Schichten lang von früh bis spät.
Es ist eine harte Arbeit, denn die Münzen wiegen schwer. Uleano Orlandi entnimmt sie den Plastiksäckchen und schüttet sie in ein »hydrodynamisches Säuberungssystem«, eine Art Waschmaschine. So gereinigt, werden die Geldstücke in italienische und ausländische separiert. Die ausländischen kommen wieder in die Plastiksäckchen, die italienischen hingegen werden in Geldsortiermaschinen eingefüllt, aus denen sie in rosa Röllchen ausgespuckt werden – gezählt, gewogen, geteilt, verstaubar in weißen Jutesäcken, direkt dem Schatzamt zuführbar, das sie dem chronisch defizitären Stadthaushalt gutschreibt.
All dies ist eine Arbeit, die der Arbeiter Orlandi nur als langweilig und anstrengend empfinden kann. Der Herr im Hintergrund, der dort am Tisch den Messaggero liest, stimmt kopfnickend zu. Es ist der Stadtpolizeiinstruktor Roberto Sauli von der 18. Gruppe, vierundvierzig Jahre alt, der schichtweise im Wechsel mit einer Kollegin das Münzenwaschen und -sortieren beaufsichtigt. Er zählt und registriert, verplombt Säckchen und Laufkarren und zeugt allein durch seine Gegenwart davon, dass die Polizei nicht nur mit je drei Kräften in drei Schichten Tag und Nacht am Trevibrunnen über die Münzen wacht, sondern auch hier in der Einsamkeit des Betonbunkers.
Natürlich ahnen all die Japaner, Italiener, Deutschen oder Briten
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