Lesereise Rom
am Trevibrunnen keineswegs, dass sie so vielen Menschen Arbeit geben, wenn auch keine schöne. Wie auch? Die Piazza Trevi ist kein Ort der Nachdenklichkeit, sondern der Extravaganz. Hier wird geschäkert und geschaut und nicht gerechnet, hier zählt Amüsement, nicht Information. Ist es denn überhaupt so wichtig, dass es Papst Clemens XII. war, der 1732 den Bauauftrag gab? Muss man unbedingt Herrn Salvi kennen, den Architekten? Ist das Ding nicht sowieso reichlich kitschig?
Immerhin, höchst interessant ist ja, dass das Wasserspiel bis heute aus einem neunzehn Kilometer langen Aquädukt gespeist wird, der seit dem 9. Juni des Jahres 19 vor Christus in Betrieb ist. Immerhin hat es auch Seltenheitswert, dass die kolossalen Statuen mittels kaum sichtbarer Drähte elektrostatisch aufgeladen sind; dies hält Tauben und Möwen ab, sich niederzulassen und durch ihre Exkremente die Verschmutzung und Zersetzung zu beschleunigen. Und es lohnt zu wissen, dass es rund hundertfünfzig Euro Buße kostet, wenn man nackt im Trevibrunnen badet, wie dies jüngst ein deutscher Mann getan hat. Ja, die Deutschen – auch Fräulein Claudia Schiffer hat das Becken schon betreten.
Weniger ergötzlich ist, wie es mit den Münzen endet. Sie gelangen, wenn einmal der Arbeiter Orlandi die Euro-Stücke aussortiert und für die Stadtkasse eingesackt hat, in die Via Ramazzini Nr. 31. Dort hat, weit weg von der Piazza Trevi, das Provinzialkomitee des Italienischen Roten Kreuzes seinen Sitz, und dort lagern in einem tristen, doppelt abgesperrten Kellerraum rund dreihundert verplombte Plastiksäckchen mit Münzen, Münzen, Münzen zwischen zerfledderten Kartons und Apfelsinenkisten. Polizeibedeckung ist hier nicht mehr nötig, denn was jetzt noch übrig ist aus der Fontana, damit weiß nicht einmal das Rote Kreuz so recht etwas anzufangen. Das Geld macht hauptsächlich Probleme, so viele, dass der zuständige Provinzialchef Piero Brandolino sagt: »Es ist nicht so, als ob es uns missfallen würde, wenn wir die Münzen nicht bekämen.«
Was tun mit all den Yens, Kopeken, Kronen, Francs, Zloty oder Pence? Nur zum Teil lassen sie sich einfach umtauschen. Aber keine Bank wechselt Klingelgeld aus Tahiti und Timbuktu. Und kein Mensch hat Spaß daran, täglich schwere Säcke zu wuchten und stundenlang bei Neonlicht benässtes Metall auseinanderzuklauben, wie es dem neunundzwanzigjährigen Rotkreuz-Mann Luciano Rizza und zwei Kriegsdienstverweigerern aufgetragen ist. »Das ist langweilig und strengt die Augen sehr an«, sagt Rizza, und er macht dabei die Miene des gequälten Sisyphus. Geldzählen ist nämlich, so besehen, eher eine Strafe als ein Vergnügen, und eigentlich hat das Rote Kreuz Wichtigeres zu tun.
Nun gut, gewisse Erleichterung kann man sich schaffen. Mit Magneten lassen manche Münzen sich rasch herausfischen. Kupferstücke kann man zum Einschmelzen verhökern, man kann auch ganze Säcke unsortiert an Sammler verkaufen oder an Schulkinder verschenken. Über ein Sortiersystem von Rüttelsieben wird man weiter nachdenken, und vielleicht kommt ja am Ende Hilfe von all den Botschaften in Rom, die angeschrieben worden sind.
Nur – ein schönes Ende wird die Sache niemals nehmen. Luciano Rizza und die beiden Kriegsdienstverweigerer sind auf Jahre im Verzug. Ungezählt und ungewogen liegen Münzen, Münzen, Münzen da in verplombten Plastiksäcken, und mehr als zehn Tonnen stehen noch bei der Firma Metro Security Express zum Abholen bereit. Und drinnen in der Stadt, am Trevibrunnen, stellen sie sich Tag und Nacht mit dem Rücken zum Bassin und werfen Münzen, Münzen, Münzen, Münzen …
Die Mama wird’s schon richten
Der Latin Lover als Muttersöhnchen
Sie heißt mamma , mit zwei m, und auf ihren Schultern ruht das Land. Was würden Männer wie Francesco D’Onofrio ohne mamma machen? Sie wäscht die Hemden, kocht Essen und fragt, wenn er das Haus verlässt: »Hast du den Schirm dabei? Hast du einen Pullover an? Hast du das Innenfutter in den Regenmantel eingeknöpft?« In der Nacht legt sie den Riegel vor und wartet im Sessel vor der Gegensprechanlage, bis der Sohn nach Hause kommt. Einen Mann, der so bei Muttern lebt, nennt man in Italien mammista oder mammone. Francesco D’Onofrio sieht sich als »mammistades reifen Alters«. Er ist nicht zweiundzwanzig, sondern achtundfünfzig Jahre alt, Professor für öffentliches Recht an der Universität in Rom, Harvard-Absolvent, Anwalt am Kassationsgericht, Abgeordneter des Senats der Republik,
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