Lesley Pearse
zu überqueren und feindlich gesinnten Indianern zu begegnen, war sicher nicht ihre Traumvorstellung. Als sie Giles dies sagte, musste er wieder lachen.
»Nein, Mrs. Milson besitzt hierfür nicht das nötige Durchhaltevermögen«, gab er zu. »Ich meinte auch nicht, dass wir uns den Pionieren anschließen sollten. Aber im mittleren Westen werden dringend Geistliche benötigt, und ich könnte mir vorstellen, dass Mrs. Milson dort glücklich werden könnte. Sie könnte sich mit den Farmern anfreunden und vielleicht eine kleine Schule leiten, die dringend benötigt wird.«
Matilda sah ihn erstaunt an. Diese Idee schien ihr die ideale Lösung zu sein. »Haben Sie mit Mrs. Milson schon darüber gesprochen?«
Er schüttelte den Kopf. »Bislang noch nicht. Ich habe selbst erst angefangen, darüber nachzudenken. Ich glaube aber, dass mich die Vorstellung, in unberührten Gebieten zu wirken, wirklich begeistert. Ich sehe es als Herausforderung an, dort mit gleich gesinnten Menschen, die von überall aus der Welt stammen, eine neue Gemeinschaft aufzubauen. Denkst du, Mrs. Milson würde das auch gefallen?«
»Da bin ich mir ganz sicher«, entgegnete sie und sah Lily schon Handarbeitsgruppen und Kuchenverkaufsstände organisieren. »Vielleicht sollten Sie es ihr vorschlagen. Wenn sie etwas hat, auf das sie sich freuen kann, macht es ihr vielleicht weniger aus, noch ein oder zwei Jahre hier bleiben zu müssen.«
»Und was ist mit dir, Matty? Würdest du mit uns kommen?«
»Ich kann Sie doch nicht allein gehen lassen«, sie lachte und fand die Idee plötzlich sehr aufregend. »Und außerdem möchte ich all die Wunder der Natur auch sehen. Wir sind jetzt seit zwei Jahren in Amerika, und das Einzige, was ich gesehen habe, das einem Indianer auch nur annähernd gleicht, ist der geschnitzte vor dem Tabakgeschäft. Das einzige Pferd, auf dem ich je gesessen habe, war das Denkmal auf Coney Island.« Die Worte waren heraus, bevor sie nachgedacht hatte, und Matilda wurde feuerrot.
Giles sah sie durchdringend an. »Warst du mit dem Mann, der dich so enttäuscht hat, auf Coney Island? Erzähl mir ein wenig von ihm«, bat er sie mit sanfter Stimme.
Sie hatte immer gedacht, sie würde niemals wieder fähig sein, auch nur seinen Namen auszusprechen, aber plötzlich sprudelten die Worte aus ihr hervor. Sie erzählte, wie sie Flynn kennen gelernt hatte und sie ihre freien Nachmittage miteinander verbracht hatten. Auch von ihren Plänen, ihm nach Charleston zu folgen, berichtete sie. Matilda war überrascht, wie sehr es sie erleichterte, endlich mit jemandem darüber sprechen zu können.
»Es war gut, dass ich nicht nach Charleston gegangen bin, wie sich später herausgestellt hat«, endete sie mit einem kleinen Lachen.
Giles hatte ihrer Erzählung genau zugehört und die Dinge erahnt, die sie ausgelassen hatte. Er war zutiefst gerührt, dass ihre Treue ihm und seiner Frau gegenüber sogar noch größer war als die Gefühle für den Mann, den sie liebte. Und Matilda hatte ihn geliebt, liebte ihn immer noch, das konnte er in ihren Augen lesen.
»Es gibt sicher ein Dutzend guter Gründe, warum eine Ehe mit Flynn dir nicht all deine Wünsche erfüllt hätte«, meinte er verständnisvoll. »Aber es tut mir wirklich Leid, dass deine Träume geplatzt sind. Die erste Liebe ist etwas ganz Besonderes.«
»Ich komme langsam darüber hinweg«, versicherte sie und errötete wieder, weil sie glaubte, zu viel erzählt zu haben. »Mein Vater sagte mir, als er mich zu Ihnen ins Pfarrhaus brachte, ich sollte nie zurückblicken.«
»Dein Vater ist ein weiser Mann«, erwiderte Giles anerkennend. »Aber die meisten Menschen finden es schwierig, nicht sehnsüchtig an die Vergangenheit zurückzudenken, oder sie machen sich Vorwürfe, nicht anders gehandelt zu haben. Doch du hast dich mit viel Würde gegen diese Beziehung entschieden. Nach einer Zeit wird dir das ein Trost sein.«
Plötzlich funkelten ihre blauen Augen. »Sie sind mir ein großer Trost. Wenn ich jemals wieder in die Verlegenheit komme, mich zu verlieben, werde ich sichergehen, dass der Mann Ihnen so ähnlich wie möglich ist.«
Später im Bett ging ihr auf, dass eine solche Bemerkung leicht falsch gedeutet werden könnte. Aber sie hatte es wirklich ernst und ohne Hintergedanken gemeint, und sie war sich sicher, dass Giles es auch genauso aufgefasst hatte.
Sie wollte einen Mann, der von innen genauso gut war, wie er nach außen erschien, dem Menschen etwas bedeuteten, egal, ob sie arm
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