Lesley Pearse
musste schließlich doch eingeschlafen sein, denn plötzlich schreckte sie von dem lauten Geräusch des Regens auf, der auf das Dach prasselte. Für einen Moment lag sie nur ruhig da und genoss die willkommene frische Brise, die durch das Fenster wehte, aber ein Donnerschlag, direkt gefolgt von einem hellen Blitz, der das ganze Zimmer erleuchtete, ließ sie aufspringen und zum Fenster eilen. Ein zweiter greller Blitz erhellte den Garten, und sie sah Gertie, die kleine Ziege, und die Hühner, die sie vergessen hatte, in den Stall zu scheuchen, verschreckt draußen hin und her laufen. Ohne auch nur an einen Umhang zu denken, rannte sie aus dem Zimmer und die Treppe hinab, um die Tiere einzufangen.
»Matty!« Giles’ Stimme kam aus dem Schlafzimmer.
»Ich habe die Ziege und die Hühner draußen gelassen«, gab sie zurück. »Ich sperre sie nur schnell ein.«
Als sie die Türklinke niederdrückte, warf die Kraft des Windes und des Regens die Tür weit auf und ließ Matilda beinahe hintenüber fallen. Giles rannte auf sie zu und warf die Tür wieder ins Schloss.
»Du kannst so nicht nach draußen gehen. Es macht den Tieren nichts aus, sie sind klüger als wir«, mahnte er.
»Ich muss«, beharrte sie. »Gertie wird schreckliche Angst haben.«
Giles umfasste ihre Arme, und für einen Moment kämpften sie miteinander. Matilda wollte unbedingt die Ziege einfangen, während Giles ebenso entschlossen war, sie aufzuhalten. Ein neuer Blitz erhellte die Küche. Matilda schrie auf vor Schreck, und plötzlich hatte Giles seine Arme um sie geschlungen.
»Beruhige dich«, sagte er tröstend. »Es kann nichts passieren. Gertie wird sich unter einem Busch verstecken.«
Giles trug ebenfalls nur ein Nachthemd. Er zog sie näher an sich heran, sodass sie die Hitze und Härte seines Körpers durch ihr dünnes Hemd spürte, und plötzlich küssten sie sich.
Die Leidenschaft brach ebenso unerwartet hervor wie der Sturm. Unter dem prasselnden Regen, dem lauten Donnergrollen und den grellen Blitzen entluden sich auch die Emotionen. Arme verschränkten sich ineinander, Lippen und Zungen verschlangen sich ineinander, Hände und Fingerspitzen liebkosten einander.
Giles hob sie hoch, und hemmungslos schlang Matilda ihre Beine um seine Taille, während sie sein Gesicht und seinen Nacken mit stürmischen Küssen bedeckte.
»Ich will dich so sehr, Matty«, flüsterte er, als er sie ins Schlafzimmer trug. »Fühlst du wie ich?«
»Oh, ja«, seufzte sie und schmiegte sich noch enger an seinen Körper. Der Sturm draußen tobte genauso wild und unbezwingbar wie ihre Leidenschaft. Sie rissen sich die Nachthemden vom Leib, ihre Körper brannten vor Verlangen nach dem andern.
Für Matilda war es, als hätte alles, was sie bisher erlebt hatte, zu diesem Moment hingeführt. Sie kümmerte sich nicht um das, was der morgige Tag bringen würde. Giles’ Lippen auf ihrem Mund und seine Hände, die ihren Körper erkundeten und sie das pure Glück empfinden ließen, waren alles, was in diesem Augenblick zählte.
Als er in sie eindringen wollte, hielt sie ihn für einen kurzen Moment zurück. Ein Blitz erhellte sein Gesicht, und als sie kein Anzeichen von Wollust, sondern nur Zärtlichkeit und Liebe in seinen Augen lesen konnte, gab sie sich ihm freudig hin.
»Mein Liebling«, flüsterte er. »Meine allerliebste Matty.«
Sie fühlten sich wie neugeboren, als sie später, immer noch ineinander verschlungen und völlig verschwitzt, dalagen. Was in der Vergangenheit gewesen war, war wie fortgewischt. Matilda hatte nicht wirklich eine Möglichkeit, diesen Liebesakt mit früheren Erfahrungen zu vergleichen, aber sie wusste ohne Zweifel, dass so vollkommene Ekstase ein besonderes Geschenk war. Es war gar nicht nötig, dass Giles ihr erklärte, für ihn sei es ebenso gewesen, denn sie spürte es in seinen Küssen und seinen zufriedenen Seufzern. Sie mochten vielleicht verdammt sein, weil sie sich schon vor ihrer Hochzeit geliebt hatten. Der Rest der Welt würde es so kurz nach Lilys Tod als schamlos ansehen, doch Matildas Herz war viel zu freudig erregt, als dass sie sich in diesem Moment um solche Dinge gekümmert hätte.
Giles schmiegte sich an ihre Brüste und streichelte ihr langes Haar. »Viele Männer sind in der Vergangenheit zu mir gekommen, um ihre illegitime Liebe zu einer Frau zu beichten« sagte er sanft. »Ich habe zugehört, sie bemitleidet und getröstet … und sie meist überreden wollen, die Affäre zu beenden. Wenn es ihnen nicht gelang,
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