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Lesley Pearse

Lesley Pearse

Titel: Lesley Pearse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo das Gluck zu Hause ist
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Wasser gebracht. Auf dem Boot hatte Matilda sich glücklich schätzen können, wenn sie eine kleine Wasserschale zum Erfrischen bekommen hatte. Sich das Haar zu waschen war völlig unmöglich gewesen. Sie genoss das Gefühl des heißen Wassers auf der Haut und schwor sich, irgendwann so viel Geld zu verdienen, um jeden einzelnen Tag ein Bad nehmen zu können.
    Der Zustand ihrer Hände beunruhigte sie jedoch ein wenig, denn sie sahen wirklich abstoßend aus. Einen Nagel hatte sie während des Trecks verloren, als sie sich den Finger an einem Klapptisch gequetscht hatte. Ihre Hände waren voller Narben, Schwielen und brauner Leberflecken. Nicht einmal das Gänsefett, mit dem sie sich auf Cissys Anraten hin während der Bootsfahrt immer wieder eingerieben hatte, hatte etwas ausrichten können. Cissy hatte vorgeschlagen, sie solle Lilys Spitzenhandschuhe tragen, und das war ihr zuerst sehr vernünftig vorgekommen. Aber trugen Damen beim Essen Handschuhe? Irgendwie konnte sie sich das nicht vorstellen.
    Man kann aus einem Ackergaul kein Rennpferd machen! Matilda erinnerte sich während der folgenden Tage sehr oft an dieses Sprichwort, das ihr Vater so oft benutzt hatte. Während sie tagsüber durch die Stadt lief, fühlte sie sich selbstsicher. Mutig, weiblich und britisch zu sein gab ihr einen entscheidenden Vorteil, denn Geschäftsleute stimmten einem Treffen mit ihr sogar dann zu, wenn sie eigentlich zu beschäftigt waren. John hatte ihr ausreichend Informationen über sein Holz mit auf den Weg gegeben, um kompetent klingen zu können, und ihr schnelles Kopfrechnen beeindruckte diese Männer, sodass sie die Aufträge bekam, die sie haben wollte.
    Aber wenn sie abends wieder im Hause der Slocums eintraf, war sie sich ihrer Mängel nur allzu bewusst und fühlte sich, als würde sie allabendlich langsam gefoltert.
    Wenn sie mutig genug gewesen wäre und Alicia gestanden hätte, es nicht gewohnt zu sein, auf Menschen der besseren Gesellschaft zu treffen, hätte die Frau ihr vielleicht einiges erleichtert. Aber indem sie vorgegeben hatte, eine Arztwitwe zu sein, hatte sie sich unbeabsichtigt selbst eine Falle gestellt.
    Sie hatte immer geglaubt, dass die Milsons ihr genug beigebracht hatten, um die Gesellschaft keines Menschen scheuen zu müssen, doch sie hatte sich geirrt. Lily und Giles waren Landleute gewesen, ihr Essen war einfach gewesen, und Wein war nie ausgeschenkt worden. Bei den Slocums wurden Speisen aufgetragen, von denen Matilda nicht einmal wusste, wie man sie aß, und ihre Gastgeber schienen unweigerlich Matildas schlechteste Eigenschaften heraufzubeschwören. Bald fand sie heraus, dass auch ihre Kleidung nicht angemessen war.
    Besonders der erste Abend war erniedrigend gewesen, auch wenn sie fairerweise zugeben musste, dass es ihre eigene Schuld, nicht die der Slocums gewesen war. Da sie keinen Wein gewohnt war, hatte sie angenommen, ein volles Glas auch sofort trinken zu müssen, wenn sie nicht als sonderlich gelten wollte. An diesem Abend war José de Galvez zu Gast gewesen, ein dunkelhäutiger, schwarzäugiger Mann mit geöltem Schnauzbart und langen, strahlend weißen Zähnen, der ihr viel zu viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Er besaß eine große Rinderfarm in Südamerika und war nach San Francisco gekommen, um Geschäfte mit Fleisch zu machen.
    »Henry hat mir erzählt, dass Sie einen Planwagen allein von Missouri nach Oregon gefahren haben«, meinte er mit starkem spanischen Akzent. »Das ist sehr beachtlich, Mrs. Jennings. Hatten Sie keine Angst?«
    »Nein«, antwortete sie. »Es waren noch sechzig andere Wagen dabei. Ich war allerdings oft erschöpft, aber schließlich war ich auch schwanger.«
    In dem Moment, als sie das Wort ausgesprochen hatte, wusste sie, dass ihr ein großer Fehler unterlaufen war. Keine Dame würde diesen Ausdruck jemals in den Mund nehmen. In einer gemischten Runde würden sie immer »in anderen Umständen« sagen. Wenn Matilda sich jedoch fortan still verhalten hätte, wäre es vielleicht nicht so schlimm gewesen, aber sie hatte versucht, sich zu rechtfertigen. »Entschuldigung, ich weiß, dass man ein solches Wort nicht benutzen sollte. Obwohl ich eigentlich nicht weiß, warum. Schließlich ist es der richtige Begriff. Aber in Amerika darf man ja nicht mal das Wort Unterhose aussprechen, nicht wahr?«
    Alicia fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, Henry errötete, und José grinste.
    »Mrs. Jennings ist Engländerin, natürlich«, erklärte Alicia ihrem Gast. »Ich

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