Lesley Pearse
ansteckende Aufregung und Spannung in der Stadt, die der Atmosphäre auf einem Rummelplatz ähnelte. Die Männer, die ihre Pferde oder Maulesel sattelten, um in die Berge zu reiten, hatten einen freudigen und erwartungsvollen Gesichtsausdruck. In einem kleinen Geschäft, in dem alles von Spitzhacken bis zu Zeltkochern verkauft wurde, herrschte emsige Geschäftigkeit. Vor den Banken warteten lange Schlangen Männer, die Goldstaub, Nuggets und Geld einzahlen wollten. Matilda wusste mit hundertprozentiger Sicherheit, dass diese Stadt ihre persönliche Goldmine sein könnte, wenn sie nur ein Bett finden würde. Während sie die Leute auf den Straßen nach Hotels gefragt hatte und dabei mit ihnen ins Gespräch gekommen war, hatte sie erfahren, dass alle Baumaterialien, besonders aber Holz, verknappt und die Preise für jegliche Ware vollkommen überteuert waren.
Schließlich wandte sie sich in ihrer Verzweiflung an die Kirche. Es war eines der ältesten Gebäude der Stadt und aus Lehm erbaut, mit weißer Farbe gestrichen, ein Baustil, der eindeutig mexikanisch beeinflusst war. Als sie den Pfarrer nach einer halben Stunde wieder verließ, war sie gewogen, wenigstens an diesem Tag an Gott zu glauben. Father Sanchez hatte ihr ein Empfehlungsschreiben an seine persönlichen Freunde mitgegeben, Mr. und Mrs. Slocum in der Montgomery Street. Mr. Slocum war ein Ratsherr der Stadt. Laut Father Sanchez setzte er sich für ein Landgewinnungsprojekt an der Bucht ein und wollte einen neuen Kai errichten.
Matilda sah bald, dass die Montgomery Street eine der schöneren und älteren Straßen der Stadt war und inmitten des Banken- und Finanzviertels lag. Sie war entschlossen, Mr. Slocum und seine Frau dazu zu bringen, sie als zahlenden Gast aufzunehmen, denn abgesehen von dem persönlichen Komfort, den ihr dies einbringen würde, war es wahrscheinlich, dass auch Mr. Slocum an Johns Holz interessiert war.
Vor der Hausnummer acht rückte sie ihren Hut gerade und klopfte den Staub von ihrem Mantel. Sie atmete tief ein, ging die zwei Stufen zur Tür hinauf und klopfte entschlossen an. Eine junge mexikanische Bedienstete öffnete ihr.
»Father Sanchez schickt mich, um Mr. Slocum zu treffen«, begann sie und hielt dem Mädchen den Brief hin. »Dieses Schreiben wird ihm alles erklären.«
Die Augen des Mädchens streiften Matilda kurz. Sie hatte wahrscheinlich nicht alles verstanden, aber sie bat Matilda in gebrochenem Englisch hereinzukommen und hieß sie, in der Halle auf Mr. Slocum zu warten. Nach dem Lärm, Schmutz und Durcheinander in den Straßen erschien ihr der Raum mit seiner Ruhe und Sauberkeit nahezu paradiesisch.
Bald öffnete sich eine Tür, und das Mädchen kam wieder herein. »Mister Slocum möchte Sie jetzt sehen«, verkündete es und knickste.
Matilda musste ein Kichern unterdrücken, denn noch nie zuvor hatte jemand vor ihr geknickst. Sie ließ ihren Koffer in der Halle stehen, trat in das Zimmer und lächelte strahlend. »Wie freundlich von Ihnen, mich zu empfangen, Mr. Slocum!«, sagte sie in derselben Art, wie Lily früher Giles’ wohlhabendere Gemeindemitglieder begrüßt hatte. »Ich hoffe wirklich, dass Sie mein Kommen nicht als Zumutung empfinden.«
Mr. Slocum war ein großer, dicker Mann Anfang vierzig. Seine Glatze stand in seltsamem Kontrast zu seinem buschigen schwarzen Bart, und er schielte ein wenig. »Es ist mir stets eine Freude, in dieser Stadt auf eine Dame zu treffen«, erwiderte er lächelnd. »Father Sanchez informiert mich in seinem Schreiben, dass Sie verwitwet sind, Mrs. Jennings, und geschäftlich in San Francisco zu tun haben. Darf ich fragen, welcher Art diese Geschäfte sind?«
»Holz«, antwortete sie. »Ich trete als Agentin des Sägewerkes meines Schwagers in Oregon auf. Aber ich hatte heute einen fürchterlichen Tag. Ich habe verschiedene Hotels aufgesucht und mich nach Zimmern erkundigt, doch ich fürchte, sie waren nicht wirklich das, was ihre Namen vermuten ließen. An Father Sanchez habe ich mich in äußerster Verzweiflung gewandt.«
Er bat sie, Platz zu nehmen und einen Kaffee mit ihm zu trinken. Seine Frau, sagte er, war zu Besuch bei einigen Freunden, würde aber sicherlich bald zurückkehren. Es war eine Erleichterung für Matilda, sich endlich setzen zu dürfen, und sie faltete die Hände auf ihrem Schoß, sodass er ihre staubigen Handschuhe nicht sehen konnte.
»San Francisco ist keine Stadt für eine allein stehende Frau«, bemerkte er und sah sie unverwandt an,
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