Lesley Pearse
sein. Aber ich bin nicht für die Feldarbeit geschaffen, Cissy.«
»Du wärst eine schlechte Mutter, wenn du unglücklich bist«, wandte Cissy ruhig ein. »Ich vermute, du musst es tun. Wenn du hier bleibst, wirst du dir immer wünschen, es ausprobiert zu haben. Außerdem gehst du ja nicht für immer. Als Chefin kannst du so oft nach Hause kommen, wie du möchtest.«
Matilda hörte Tabitha zum Haus kommen, die sich mit Peter unterhielt. »Lass uns heute Abend noch einmal darüber sprechen«, bat sie warnend. »Nun, warum fahren wir nicht in die Stadt zu Mr. Weinburg und zeigen ihm das Geld?«
»Ich sage ihm, dass er dir deinen Anteil geben soll«, meinte Cissy und streckte Matilda ihre Arme entgegen, um sie an sich zu drücken. »Es tut mir schrecklich Leid, dass ich diese bösartigen Dinge von mir gegeben habe, Matty. Du bist der beste Kumpel, den man sich wünschen kann, und ich möchte dich wirklich niemals verlieren.«
Es war kurz vor Weihnachten, und Tabby war gerade zehn Jahre alt geworden, als Matilda einen Brief von Charles Dubrette bekam, in dem er sie informierte, dass das Grundstück in San Francisco nun rechtmäßig ihr gehörte.
Cissys Zukunft war nun gesichert. Das Sägewerk war zu einem äußerst guten Preis verkauft worden, und die neuen Besitzer hatten Sidney dort angestellt. Nachdem sie von einer Familie aus Connecticut ein gutes Angebot für die Hütte, das Land und Vieh bekommen hatte, hatte Cissy ein kleines Haus in Oregon City gefunden. Schon nach Weihnachten würden sie dort einziehen, sodass Tabitha und Peter ab Januar zur Schule gehen konnten. Matilda hatte eigentlich vorgehabt, ihnen beim Umzug zu helfen und noch einige Zeit bei Cissy in der Stadt zu verbringen, aber dieser Brief von Dubrette zwang sie, sehr viel früher abzureisen.
Der Anwalt hatte die gesamten Kosten für das Projekt durchgerechnet. Der Preis für das Gebäude, einen Brunnen, der gegraben werden musste, Möbel, Zubehör und eine erste Ausstattung der Bar mit Getränken lag bei fünftausendfünfhundert Dollar. Er hatte ausgerechnet, dass der Wert ihres Grundstückes etwa eintausendfünfhundert Dollar betragen würde, sobald das Gebäude errichtet war. Wenn vier weitere Geldgeber jeweils tausend Dollar investierten, wäre sie daher immer noch der größte Anteilseigner.
Ich selbst wäre sehr gern einer dieser Anteilseigner, schrieb Dubrette, ebenso wie Zandra, Henry Slocum und ein Freund Henrys, Simeon Greenstater. Wenn Sie mit allen Vorschlägen einverstanden sind, sollten Sie so schnell wie möglich nach San Francisco kommen, um die Verträge zu unterzeichnen und die Baupläne abzusegnen. Danach kann mit dem Bau sofort begonnen werden.
Er erwähnte, dass jeder der vier Geldgeber seine Sachkenntnisse zur Verfügung stellen wollte. Henry war Architekt, Greenstater Bauunternehmer, und Zandra und er selbst hatten vor, ihr in den Belangen beratend zur Seite zu stehen, in denen sie sich gut auskannten.
Matildas erste Reaktion auf den Brief war helle Aufregung. Fünftausendfünfhundert Dollar waren eine Menge Geld – hier in Oregon konnte man damit sicherlich einen gesamten Straßenzug errichten. Aber nach reiflicher Überlegung stellte sie fest, dass sie eigentlich nichts zu verlieren hatte. Das Land würde immer noch ihr Eigentum sein, selbst wenn das Haus niederbrennen sollte. Und welchen Grund könnte sie haben abzulehnen, wenn Greenstater, Henry, Zandra und Dubrette, allesamt gestandene Geschäftsleute, ihre Idee unterstützten?
Cissy freute sich natürlich für Matilda, war aber niedergeschlagen, dass sie schon bald nach Weihnachten wieder fortmusste. »Es macht mir eigentlich wirklich nichts aus, wenn du gehst«, beharrte sie. »Ich bin ganz scharf darauf, dass du den Palast eröffnest. Ich glaube, ich habe nur Angst, dass du mich nicht mehr als Freundin haben möchtest, wenn du demnächst so viele feine Menschen um dich hast.«
Diese Bemerkung ging Matilda zu Herzen. In Wahrheit konnte Cissy es mit jedem aufnehmen, aber wegen ihrer Herkunft und ihrer mangelnden Bildung fühlte sie sich stets unterlegen. Selbst die Bewunderung, die ihr wirklich jeder entgegenbrachte, der sie kennen lernte, konnte ihr Minderwertigkeitsgefühl nicht vertreiben.
»Du wirst immer meine beste und liebste Freundin bleiben«, erklärte Matilda ruhig. »Daran ändert sich auch nichts, wenn ich mich mit ein paar feinen Pinkeln umgebe. Außerdem werde ich nie vergessen, dass sich mir diese Gelegenheit gar nicht geboten hätte, wenn du
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