Lesley Pearse
Vielleicht hätte sie größeres Verständnis gehabt, wenn man ihr eine Tasche voller Geldscheine vorgelegt hätte.
Matilda verstand jetzt auch, warum Cissy nicht mit ihr nach San Francisco ziehen wollte. Wie sollte sie eine rationale Entscheidung darüber treffen, ob sie das Haus und das Sägewerk verkaufen sollte, wenn ihr der eigentliche Wert gar nicht klar war? Erst recht konnte sie nicht einschätzen, ob dieses Geld ausreichen würde, sich und ihren Kindern ein wenig Sicherheit zu verschaffen.
Nachdem die Kinder am nächsten Morgen das Haus verlassen hatten, um die Tiere zu füttern, und Matilda Amelia zum Spielen in ihren Laufstall gesetzt hatte, nahm sie ein Notizbuch zur Hand und riss zehn Seiten heraus. Auf jeden Zettel schrieb sie 10 Dollar. »Das sind insgesamt hundert Dollar«, sagte sie und legte das Bündel in Cissys Hände. Dann malte sie Kreuze für die weiteren Hunderter auf ein weiteres Blatt Papier, um Cissy zu zeigen, wie viel Geld sie jetzt besaß. Sie zählte jedes Kreuz laut ab, und ihre Freundin atmete tief durch, als die Seite voll war.
»So, das ist die Gesamtsumme, die wir haben, plus oder minus ein paar Dollar«, erklärte sie. »Jetzt streiche ich neun Kreuze für meine Provision weg, sodass du sehen kannst, was übrig bleibt.«
»Das ist eine furchtbar große Menge Geld«, murmelte Cissy. Ihre Augen waren vor Überraschung geweitet.
»Das ist es«, stimmte Matilda zu. »Mehr als John in vielen Jahren verdient hätte, wenn er weiterhin nur hier in der Gegend verkauft hätte.« Sie strich noch ein paar Kreuze fort. »Das ist ungefähr die Menge, die wir der Bank für das Darlehen schulden, die Verschiffungskosten und die Löhne. Aber es bleiben immer noch fast viertausend Dollar.«
Sie fuhr fort, in einfachen Worten zu erläutern, dass Cissy Zinsen bekommen und ihr Vermögen wachsen würde, wenn sie das Geld bei einer Bank anlegte. »Wenn das Sägewerk verkauft ist und das Geld ebenfalls bei der Bank liegt, hast du genug, um allein von den Zinsen leben zu können, solange du nicht extravagant wirst. Aber ich werde dir auch das Rechnen beibringen, damit du alles niederschreiben kannst, was du ausgibst. Dann weißt du, dass dich keiner betrügt.«
Schließlich erklärte Matilda ihr, warum sie das Grundstück in San Francisco kaufen wollte. »Selbst wenn ich es einfach brachliegen lasse und nur ein oder zwei Jahre warte, wird es an Wert gewinnen. Das nennt man ›Investition‹. Allerdings habe ich eine Idee, wie ich noch mehr Geld damit verdienen kann.«
Sie legte Cissy ihre Vorstellung des Unterhaltungspalastes sehr detailliert auseinander und berichtete, dass viele Leute ihr prophezeit hatten, sie könnte ein Vermögen verdienen, wenn sie die Idee jetzt realisieren würde.
»In New York gab es ein ähnliches Haus«, rief Cissy aufgeregt, und ihr Gesicht glühte vor Aufregung. »All die feinen Pinkel sind dort hingegangen, und es war jeden Abend voller Menschen. Du musst es tun, Matty, es ist einfach eine fantastische Idee!«
»Aber es gibt ein großes Problem«, wandte Matilda ein, und ihre Lippen bebten. »Ich sehe keine Möglichkeit, Tabby und Amelia mitzunehmen, zumindest noch nicht gleich. Es ist ein schmutziger, gefährlicher Ort. Ich kann die Kinder nicht dieser Gefahr aussetzen.«
»Lass sie doch einfach bei mir«, schlug Cissy, ohne zu zögern, vor.
»Wie könnte ich das tun?«, seufzte Matilda. »Du hast mit deinen eigenen schon genug zu tun.«
»Tabby ist Gold wert«, erwiderte Cissy mit einem Schulterzucken. »Ich weiß ohnehin nicht, wie ich ohne sie zurechtkommen sollte. Aber es ist nicht nur das. Ich liebe sie und Amelia wie meine eigenen Kinder.«
»Das weiß ich«, antwortete Matilda. »Aber ich liebe sie auch so sehr, dass ich es nicht ertragen könnte, sie zurückzulassen, nicht einmal bei dir. Außerdem hast du gesagt, dass du dich ohne mich fürchtest!«
Cissy sah sie lange und ernst an. »Sobald ich mit Geld umgehen und rechnen kann, werde ich keine Angst mehr haben. Besonders wenn ich in der Stadt lebe, denn dort werden Menschen sein, die ich fragen kann. Nach dem, was du über San Francisco erzählt hast, glaube ich sowieso, dass Tabby und Amelia hier glücklicher sind. Aber das ist nicht wirklich das Problem, oder? Du hast dir schon ein Herz gefasst, nicht wahr?«
Matilda nickte. »Es brennt geradezu in mir, ich kann beinahe an nichts anderes mehr denken. Die Mutter in mir rät mir, hier zu bleiben, ein Stück Land zu kaufen und damit zufrieden zu
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