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Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Titel: Letzte Ausfahrt Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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und fragte: »Stamps?«
    Ich nickte.
    Er riss Briefmarken aus einer Mappe, und ich sah die blass-blaue Tätowierung auf seinem Arm. Es konnte das Bild eines Fisches sein.
    Er steckte die Zigaretten, Karten und Briefmarken in eine Tüte, ließ dann blitzschnell noch ein Kuvert folgen und reichte mir die mit Reklame bedruckte Tüte. Ich bezahlte, verzichtete auf das Wechselgeld und verließ hastig den Tistar Rasay, nahm den Steg zur Galatabrücke und kämpfte mich auf die andere Straßenseite. Erst als ich mich sicher fühlte und niemanden entdecken konnte, der mich verfolgte, ging ich weiter.
    Ich betrat eine kleine Einbahnstraße und verwarf den Gedanken, meinem Freund Werner Selter eine Postkarte zu schicken, als ich vor dem stuckreichen Postamt stand.
    Die Tüte brannte in meiner Hand, dennoch wollte ich, obwohl eigentlich logisch, das Postamt nicht betreten, um dort den Brief zu lesen. Die Hektik und die vielen Menschen konnten mir nicht die Ruhe liefern und irgendeiner konnte den Auftrag haben, mich zu beobachten.
    Ich entschied mich deshalb, nach einer Teestube zu suchen. Ich las nicht die Namen der Straßen, sondern folgte dem Strom der Passanten.
    Dann fand ich, was ich gesucht hatte. Eine kleine Teestube, sie wirkte düster, hatte verrauchte Holzwände und vor den Tischen standen Polstersessel.
    Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich die alten Männer, die vor Brettspielen saßen und mich nicht beachteten. Ein Ventilator trieb den Rauch ihrer Wasserpfeifen davon.
    Der Wirt mit der üblichen blauen Hose und dem weißen Hemd, ein Typ, wie ich sie tausendfach in der Stadt gesehen hatte, nickte, als ich Tee bestellte.
    Ich ließ mich an einem kleinen Fenster nieder und hatte Einblick in die Straße. Mir gegenüber lag eine Schlachterei, vor deren Schaufenster im Freien Hammelkörper am Haken hingen.
    Der Wirt stellte den Tee vor mich hin, dazu hatte er eine kleine Schale mit bräunlichen Kuchen gebracht, die Miniberlinern glichen. Dann ließ er mich in Ruhe.
    Ich trank den Tee und aß einen von den Kuchen. Dann öffnete ich die Tüte, entnahm einer Packung eine Camel, und erst als ich rauchte, zwang ich mich zur Ruhe und riss den Briefumschlag auf.
    Besuchen Sie um 16 Uhr das Fotohaus Ahmed Kalsati in der Türkocag Cadde Nr. 118. Fragen Sie nach einem Fotoapparat. Man wird Ihnen mehrere vorlegen. Sie entscheiden sich für eine alte Rollei 35 LED, wünschen außerdem ein Passfoto.
    Man wird Sie fotografieren. Sie bezahlen nicht, sondern unterschreiben nur die Empfangsbestätigung.
    Dort erhalten Sie weitere Anweisungen. Denken Sie daran, dass Sie sich in Istanbul als Tourist aufhalten, fotografieren Sie möglichst viele Sehenswürdigkeiten.
    Vernichten Sie diesen Brief.
    Katz und Maus spielen sie mit mir, dachte ich, und ich suchte nach den Absichten meines Auftrages. Sicher, in einer Stadt wie Istanbul mit gezückter Kamera umherzuspazieren und mit türkischen Lira im Werte von etwa zweitausend Euro ausgestattet, hätten die meisten Reisenden mich beneidet. Doch irgendetwas musste ich doch damit für sie bezwecken!
    Die Prämie war meine Tochter Inga. Ihre Freiheit musste ich mit der Erledigung ihrer Aufträge erkaufen. Außerdem konnte es auch nicht schaden, wenn ich mich in meinem Umfeld ein wenig nach Orientierungshilfen umsah.
    In meine Gedanken klickten die Berührungen der Steine, wenn die Brettspieler mit Schwarz oder Weiß Sprünge auf den Feldern setzten.
    Ich zog meinen Stadtplan hervor und begann die Suche. Die Passanten auf der Straße lieferten mir dabei eine angenehme Abwechslung, denn ich unterbrach sofort die Reise meines Zeigefingers, wenn sich am Fenster Interessantes tat.
    Frauen in Pluderhosen, mit bunten, eng anliegenden Kopftüchern, mit schwarzen Umhängen, warfen oft neugierige Blicke in mein Fenster. Männer und Kinder mit knochigen Gesichtern erinnerten mich an Fotos meiner Großeltern, die, vom Lande kommend, für wenig Lohn für die aufblühende Industrie schufteten. Erst wir Enkel konnten von ihren Kämpfen profitieren.
    Mir gegenüber säbelte der Schlachter Stück für Stück der abgezogenen Hammelkörper ab, und einfache Menschen trugen die Fleischfetzen wie Heiligtümer nach Hause.
    Selbstverständlich gab es in dieser Stadt auch Luxusviertel mit Villen und dicken Autos, mit Swimmingpools und Bosporusblick und auch schöne Mädchen, die sich verkauften.
    Mit den Lira in meiner Tasche hätte ich für Tage einen ganzen Puff mieten können.
    Entsetzt kam mir

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