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Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Titel: Letzte Ausfahrt Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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der Gedanke, meine Tochter säße hier in Istanbul in einem dieser Freudenhäuser und als Exotin unter schwarzhaarigen, asiatisch wirkenden Mädchen, als sei sie das nordeuropäische Spitzenangebot.
    Ich verwarf den Gedanken, trank den Tee und studierte die Karte, die wegen der beziehungslosen Wortstämme für mich nur schwer verständlich war.
    Sie wollen von mir ein Passfoto! Aussteigen ist zurzeit nicht drin! Der Fotoapparat diente zu meiner Tarnung.
    Ich wollte die Schönheit dieser Stadt fotografieren, denn ein voller Film bestätigte meine Touristenrolle, falls etwas schiefgehen würde. Vielleicht wollten sie meiner Tochter ein Lebenszeichen geben.
    Aber, wenn mein Passfoto dazu diente, dann besaß auch Inga ein Druckmittel.
    Ich wunderte mich, denn ich blieb bei all den Gedanken gelassen.
    War es die Nähe Asiens, die mir die Ruhe schenkte? Ich winkte den Wirt an meinen Tisch. Vor mir lag der Stadtplan. Er begriff sofort.
    Ich fragte nach der Türkocag Cadde, und er machte mit dem Kugelschreiber ein Kreuz auf der Karte.
    Nachdem ich meine Zeche bezahlt hatte, blieb ich noch für eine kleine Weile sitzen, denn so weit lag mein Ziel nicht entfernt. Außerdem konnte ich auch ein Taxi nehmen.
    Während ich den Stadtplan zusammenklappte, durchschoss mich wie ein Blitz ein logischer Gedanke. Für Sekunden schien mir die Rolle, die ich zu spielen hatte, durchsichtig und verständlich.
    Sie erpressten Inga, weil sie mich in der Gewalt hatten, und mich, weil sie auch auf Inga Druck ausüben konnten.
    Das Leben meiner Tochter war an das meinige gekoppelt! Die Drahtzieher hatten Inga in ihre Dienste eingeplant und nun, da sie sich vielleicht aus ihren Machenschaften befreit hatte, spannten sie mich vor ihren dreckigen Karren! O Gott, wie soll ich da durchsteigen?, fragte ich mich und entschloss mich, die Dinge gelassen auf mich zukommen zu lassen.
    Ein Türke betrat die Teestube, trug wie die besser Situierten die dunkelblaue Sommerhose und ein offenes Hemd.
    Sein Gesicht wirkte auf mich unsympathisch. Es zeigte den überheblichen Ausdruck, den ich bei vielen beobachtet hatte, die Uniform trugen.
    Der Mann bestellte gelangweilt Tee, rauchte, und als ich die Tätowierung bemerkte, die seinen Oberarm schmückte, packte ich die Tüte und verließ eilig die Teestube.
    Der Wirt winkte mir zu, und ich hatte das Gefühl, doch beschattet zu werden.
    Die Sonne warf unbarmherzig ihre Glut auf die Stadt, und nur in die Straßen, die sich zum Bosporus hin öffneten, strich ein angenehm kühlender Wind. Selbst die Palmen spendeten keinen Schatten, wenn ich mich für eine Zigarettenlänge gegen ihre Stämme lehnte.
    Erst als ich vor der prachtvollen Süleyman-Moschee stand, wusste ich, dass ich mich total verlaufen hatte.
    Müde vom langen Marschieren, erschöpft von der Hitze und aus Angst, den Anschlussweg nicht mehr zu finden, ging ich zum Taxistand und gesellte mich zu den Wartenden, die eine Schlange bildeten.
    Geduldig, mit dem Blick auf die Moschee, stieg ich mit mehreren Fahrgästen in einen amerikanischen Straßenkreuzer. Wie auf einem Rummelplatz kassierte der Fahrer Geld von jedem, erkundigte sich nach den Fahrwünschen und drosch los.
    Als Vierter verließ ich den nach allen Gewürzen des Orients riechenden Wagen und blickte auf die Lichtreklame des Geschäftes.
    »Kodak«, las ich, verglich den Namen, alles stimmte.
    Der schnauzbärtige Mann, dem dichtes Haar tief in die Stirn wuchs, trug einen weißen Kittel, unter dem die blaue Hose hervorsah. Er musterte mich, lächelte freundlich.
    »Fotoapparat«, sagte ich. Er wies hinter sich auf ein gefülltes Regal auf japanische, deutsche und amerikanische Erzeugnisse.
    »Rollei 35 LED«, sagte ich.
    Ohne hinzusehen, fand er, was ich mir auftragsgemäß wünschen musste. Gekonnt legte er einen Film in den alten Apparat und hielt ihn mir entgegen. Seine Bewegungen verrieten die mir bekannten Bedienungsanweisungen.
    Ich schaute in seine fragenden Augen.
    »Foto«, sagte ich und umschrieb mit einer Handbewegung ein Viereck um meinen Kopf.
    Er führte mich in ein Atelier. Es war genauso eingerichtet, wie das in Norden, in dem ich mir schon einmal Passbilder hatte anfertigen lassen müssen.
    Ich setzte mich auf den Hocker, während er die Scheinwerfer erstrahlen ließ. Er drehte mich auf Linsenhöhe, hielt mir einen Spiegel vor, in dem ich nur das Gesicht eines Mannes sah, der entschlossen war, zu kämpfen.
    Vergeblich suchte ich seine Handgelenke nach einer Tätowierung ab, wenn

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