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Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Letzte Ausfahrt Ostfriesland

Titel: Letzte Ausfahrt Ostfriesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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sah Nababik, der wie in einer Zeitlupenaufnahme den Schutz der Ladebäume verließ, die Maschinenpistole im Anschlag.
    Nun erkannte ich auch Beppo, der hinter den Männern auftauchte und eine Salve in die Luft schoss.
    »Hands up!«, brüllte Nababik.
    Die ungebetenen Gäste standen wie versteinert an Bord im grellen Scheinwerferlicht.
    Ich lag noch immer auf dem Boden und wusste, dass sich alles in wenigen Minuten abgespielt hatte.
    Zu mir drang das Tuckern eines Dieselmotors, und ich nahm an, dass der Kutter SK 433 das Weite suchte. Vielleicht befanden sich auf ihm ebenfalls Piraten, die dort jetzt das Sagen hatten.
    Ich versuchte mich zu erheben, doch ein Schreck durchfuhr mich und lähmte mich für Sekunden.
    Meine Hände glitten durch eine warme, klebrige Flüssigkeit, und ich wusste, dass es Blut war.
    Ich beugte mich über den Mann und sah, dass eine große Schusswunde das blasse Gesicht des Funkers Liebenau entstellt hatte.
    Die Kugel war für mich gedacht gewesen. Der arme Mann, den Geldsorgen verfolgt hatten, der wegen seiner Schulden erpressbar und ein Mittelsmann der Organisation geworden war, hatte sein Leben für mich geopfert!
    Nun war er seine Sorgen los, und ich kämpfte mit den Tränen, während mir speiübel wurde.
    Ich torkelte mehr, als ich ging, einer Ladewinde entgegen, lehnte mich an das kalte Eisen, versuchte meine Hände vom Schleim und Blut an meinen Hosenbeinen zu befreien. Mir wurde übel, und ich spuckte mir den Magen frei.
    Doch es war nur ein Schwall, der mir Befreiung brachte. Die harte Stimme Nababiks riss mich zurück in das Geschehen, das fürwahr kein Traum war.
    »Los, Kapitän! Sorge für eine Festbeleuchtung! Die Sea Ghost soll ihre ganze Schönheit präsentieren! Betätige die Sirene, als hättest du Geburtstag!«
    »Habe ich?«, fragte ich verwirrt und schleppte mich zur Brücke.
    Unsere Männer standen im sicheren Abstand und hielten ihre Waffen auf die Piraten. Ich betrat die Brücke, drückte auf den Knopf der Sirene und freute mich über den kreischenden Ton, ließ ihn anschwellen, absinken und spielte mit ihm kurz, lang, kurz.
    Keinen Schalter ließ ich aus. Rund um uns legte sich eine Lichtfülle, die die Nacht zum Tage machte.
    Ich wagte es nicht, an den Traum von der Freiheit zu glauben. War ich in Sicherheit? Konnte ich bald meine Tochter und Kaya wieder in die Arme schließen?
    Ich griff nach einer Zigarette, vergaß den Blutgeruch und rauchte mit zitternden Händen. Dann schaute ich nach Osten in die Dunkelheit und wusste, dass dort in nur knapp achtzig Kilometern Luftlinie meine Heimatstadt Norddeich liegen musste.
    Meine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit, die sich wie eine Mauer hinter unserem erleuchteten Schiff auftat.
    Ich langte nach dem Fernglas und richtete es nach dort aus, wo ich Norddeich und Norden vermutete, als könnte es mir gelingen, im tiefen Schwarz die Heimat zu finden.
    Doch das hoffnungsvolle Lachen erstarb mir auf den Lippen. Licht fiel in das Dunkel, und in meinen Blick hinein stampfte ein Schiff mit hochgehender Bugwelle.
    Wie vom Blitz getroffen, setzte ich das Fernglas ab, schüttelte ungläubig den Kopf und richtete das Glas erneut aufs Meer.
    Jetzt erkannte ich die Aufbauten. Das Schiff schien uns entgegenzufliegen. Es war hell erleuchtet. Ich beobachtete Männer, die sich auf dem Bug aufhielten, und nahm das Fernglas ab, als mich eine grelle Mündungsflamme blendete.
    Ich vernahm den Knall und hörte den Aufschlag des Geschosses, das in sicherer Entfernung aufs Meer schlug.
    Ein Kanonenboot der Polizei, dachte ich und begriff, dass es uns den berüchtigten Schuss vor den Bug gesetzt hatte.
    »O Gott«, flüsterte ich in Panik, drückte die Alarmsirene und stürzte aufs Deck.
    Aber dort hatte sich die Situation nicht verändert. Immer noch hielten Nababik und Beppo die Piraten in Schach. Auch die übrigen Männer blieben ungerührt stehen, die Waffen auf die Gangster gerichtet. Der erschossene Pirat und der Funker Liebenau lagen vor ihren Füßen.
    Weit entfernt von uns, dort wo ich die Insel Schiermonnikoog vermutete, entdeckte ich das Licht eines zweiten Polizeischiffes.
    Nababik schenkte mir keine Beachtung. Er hatte nur das eine Ziel, wachsam jeden weiteren Angriff zu unterdrücken.
    Mich irritierte es, dass niemand den Warnschuss vernommen hatte und alle die Gefahr übersahen, die uns von den holländischen Polizeischiffen drohten.
    Erst als ich außer mir laut rief: »Sie legen bei!«, und vor Angst fast schlotterte, sah ich,

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