Letzte Ausfahrt Oxford
talentierter als der Saxophonspieler, aber auch deutlich lauter.
»Ich fürchte, dahinter steckt mehr.« Andrew hatte die Stimme erhoben. »Wir haben zum ersten Mal davon erfahren, als uns jemand anrief und über einen fehlenden Eintrag schimpfte. Er hatte ein Buch in der Datenbank gefunden, und als er einige Wochen später wieder nachsah, war der Eintrag verschwunden. Sind deine Nachbarn immer so laut?«
»Die Kinder haben Schulferien, also ist das jetzt die Höchststufe. Um was für ein Buch handelt es sich? Könnte es da irgendeinen Anhaltspunkt geben?«
»Es war das unbekannte Werk einer unbekannten Autorin: Dead – and Alive! von Eliza Baughn, 1863 in London bei Edmund Doyle erschienen.«
»Würde irgendwer es stehlen wollen? Ist es wertvoll? Ist es nicht einfach aus der Bibliothek verschwunden, wie sicher ein paar hundert anderer Bücher jede Woche?«
»Das Besorgniserregende ist, dass nicht nur das Buch verschwunden ist. Du hast schon Recht, so etwas geschieht leider so häufig, dass man kaum noch darauf achtet. Aber in diesem Fall hat jemand zusätzlich den Eintrag in der Datenbank gelöscht.«
»Dann ist vielleicht das Buch noch da, und jemand hat versehentlich die Löschtaste gedrückt. Das passiert mir andauernd. Und ist bestimmt kein Anlass zur Sorge.« Der Lärm nebenan hörte mit einem Mal auf. Füße donnerten die nicht mit Teppich belegten Treppenstufen hinunter. Die Eingangstür krachte ins Schloss. Zwei Mal.
»So einfach ist das nicht.« Andrew war der Meinung, er müsse seine Stimme nun sofort und deutlich senken. »In einer derart umfangreichen Datenbank kann nicht einfach jedermann einen Eintrag löschen. Es gibt ein paar hundert Angestellte, die Zugriff auf die Daten im Katalog haben. Löschen ist nur mit Zustimmung ganz bestimmter, hochrangiger Bibliothekare möglich. Genau dreizehn Leute sind im Besitz einer solchen Vollmacht.«
»Und vermutlich sind das keine kleinen Angestellten, die du einfach in dein Büro zitieren und zur Schnecke machen kannst. Trotzdem glaube ich noch immer, dass ihr da einen großen Wirbel um ein Buch veranstaltet, das möglicherweise gar nicht verschwunden ist.«
»Wenn du ein paar Millionen Bücher im Bestand hast, ist es unmöglich, sie ohne Signatur zu finden. Aber ohne Eintrag findest du noch nicht einmal die Signatur.«
»Und die alten Signaturlisten? Könnte man nicht dort nachsehen?«
»Es war unmöglich, sie von Hand auf dem Laufenden halten. Wir haben jetzt deutlich weniger Personal als früher. Überall wird geknapst. Doppelte Arbeit können wir uns beim besten Willen nicht leisten, und die Datenbank war einfach wichtiger. Nachdem die Bestände der einzelnen Büchereien in den Computer eingegeben waren, haben wir üblicherweise die alten Katalogkarten vernichtet. Es ist viel zu verwirrend, mehrere Katalogarten auf dem Laufenden zu halten, und die meisten Bibliotheken hätten auch gar nicht den nötigen Platz. Warum sitzt du plötzlich so verkrampft?«
»Ich warte darauf, dass Madame Krötengesicht feststellt, wie ungewöhnlich ruhig es im Haus ist, und ihre Tammy-Wynette-Platten auflegt.« Wieder knallte die Haustür von Nummer 12. Mutter Krötengesicht ging mit gesenktem Kopf und feindlicher Miene die Straße hinunter. Vor sich her schob sie den Buggy mit dem jüngsten Krötengesicht. Kate entspannte sich und ließ sich auf die Couch zurücksinken. »Das Buch ist also verschwunden. Vielleicht aber auch nicht. Gibt es eine Möglichkeit, herauszufinden, ob noch andere Einträge gelöscht worden sind? Existiert vielleicht eine Art Muster?«
»Das wäre eine wahre Sisyphusarbeit. Jeden Tag werden neue Einträge hinzugefügt. Natürlich passieren dabei auch Fehler. Die einzige Möglichkeit wäre, ein Band mit einem früheren Back-up mit dem aktuellsten zu vergleichen. Jeden Abend sichern wir vor dem Herunterfahren der Systeme den letzten Stand. Die Bänder werden archiviert. Aber das Team, das sich damit beschäftigt, ist bis an die Schmerzgrenze ausgelastet. Die Leute kümmern sich um das System, arbeiten an laufenden Verbesserungen und müssen obendrein noch Anfragen von Benutzern beantworten. Ich glaube kaum, dass wir ihnen eine solche Zusatzaufgabe aufbürden können, ohne ihnen mehr Personal zur Verfügung zu stellen. Das aber würden wir beim Bibliotheksausschuss in unserer derzeitigen Finanzsituation auf keinen Fall durchbekommen.«
»Mir ist immer noch nicht klar, wie ich euch helfen kann. Außerdem solltest du nicht vergessen, dass ich
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