Letzte Ausfahrt Oxford
gerade an einem Buch schreibe.«
»Deine Recherchen und Notizen hast du doch sicher unter Dach und Fach. Du musst also nur noch die Worte hinschreiben, richtig? Das machst du doch mit links, Kate! Steh einfach eine Stunde früher auf, dann schaffst du problemlos anderthalbtausend Worte am Tag. Das sind fünfundachtzigtausend Worte in sechs Wochen, nicht gerechnet das, was du schon geschrieben hast. Dein Problem ist also keines!«
»Ach, danke, Andrew, aber ich weiß nicht recht, ob ich wirklich noch früher aufstehen möchte.«
»Irgendetwas geht dir gegen den Strich, habe ich Recht? Ich weiß genau, dass du früher sogar einen Ganztagsjob mit deiner Schreiberei unter einen Hut gebracht hast, also hat es damit vermutlich nichts zu tun.«
»Ich kann einfach nicht vergessen, was passiert ist, als ich das letzte Mal versuchte, Detektiv zu spielen.«
»Aber es hat dir Spaß gemacht, das weiß ich ganz genau. Es hat dir gefallen, von Haus zu Haus zu gehen und völlig fremden Leuten unverschämte Fragen zu stellen.«
»Das stimmt. Aber das Ende fand ich weniger gelungen. Ich werde nie vergessen, wie es sich anfühlt, hilflos über den Boden gezerrt zu werden. Und dann das plötzliche Loslassen und der Absturz! Einen Moment lang fürchtete ich wirklich, ich würde über die Treppenkante mitgerissen und fände mich mausetot unten wieder. Seitdem leide ich unter Höhenangst; schon auf einer Trittleiter wird mir schwindelig. Und als ich dann auch noch feststellen musste, dass da unten jemand ertrank und ich nichts, aber auch gar nichts dagegen unternehmen konnte – was glaubst du wohl, was das für ein Gefühl war? Jedenfalls kann ich mir das bis heute nicht verzeihen.«
»Ja klar, das war sicher grässlich. Aber es ist vorbei.«
»Ich habe nach wie vor Albträume.«
»Dann geh doch joggen. Sorgt das nicht angeblich für erquickenden, gesunden Schlaf?«
»Hat dir schon einmal jemand gesagt, wie berechnend und abgebrüht du bist?«
»Ja. Dauernd. Aber jetzt habe ich Isabel. Sie findet, ich wäre ein ganz süßer und wunderbarer Mann, der sich nur leider viel zu viel um seine frühere Freundin Kate kümmert. Jetzt arbeite ich hart daran, mich zu ändern.«
»Isabel ist ein Dummerchen.«
»Schon, aber sehr hübsch, findest du nicht?«
»Ich will ja nur dein hoch und heiliges Versprechen, dass dieser Job keinerlei Gefahr für Leib und Leben birgt. Niemand wird ermordet. Noch nicht einmal verletzt. Ist das klar?«
»Aber natürlich! Ich würde nie zulassen, dass dir etwas passiert.«
»Da bin ich mir nicht so sicher. Wer war Jenna?«
Andrews Augen wichen ihr einen Moment lang aus. »Ich habe noch nie von einer Jenna gehört. Ein seltsamer Name. Ich bin sicher, er wäre mir aufgefallen. Kate, wir brauchen dich, weil in diesem Fall ein gescheiter Kopf gefragt ist. Da ist ein Rätsel zu lösen. Vielleicht muss jemand ausgetrickst werden. Wir brauchen wenigstens einen Anhaltspunkt, denn wir wollen die Lösung finden, ehe es ein anderer tut. Du würdest in verschiedene Bibliotheken gehen und belauschen, was dort unter der Oberfläche vorgeht. Du könntest vermutlich einiges entdecken, was ein zufälliger Beobachter nicht wahrnimmt. Hintergedanken, Kate. Unterschwelliges. Das ist ein Job, den nur du machen kannst.«
»Eine interessante Arbeit. Und obendrein wird sie bezahlt. War es nicht so?«
»Außerdem passt sie zu den hohen moralischen Ansprüchen, die du ja angeblich nicht hast. Ich verspreche dir, du arbeitest für die Guten und legst einem hässlichen, unehrenhaften Verhalten das Handwerk.« Andrew stand auf. »Ich glaube, ich sollte mein Auto wegfahren, ehe die jungen Musikanten zurückkommen und meinen Wagen als Testobjekt dafür benutzen, wie man einen Auto-Alarm ausschaltet und in einen Ford Sierra einbricht.«
»Das könnte ein weiser Entschluss sein.« Kate begleitete ihn bis zur Straße, wo sie um Haaresbreite vom rasenden Skateboard des Harley Krötengesicht niedergemäht worden wäre.
»Denk ruhig ein paar Stunden über mein Angebot nach. Du kannst mich in der Bodleian anrufen«, sagte Andrew.
»Wenn ich Ja sage, was passiert dann als Nächstes?«
»Dann stelle ich dir morgen einen sehr interessanten Mann vor.«
Andrew und Kate waren auf dem Weg durch das Stadtzentrum von Oxford. An der Ecke von Broad Street und St. Giles spielte ein Straßenmusikant Flöte. Kate warf eine Zwanzig-Pence-Münze in den offenen Musikkoffer.
Andrew blieb vor einer Tür stehen, auf der ein Hinweisschild angebracht
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