Letzte Ausfahrt Oxford
studiert hatte. Wenn ich an die Rektoren beider Institutionen schriebe, würden sie sicher ihre Akten durchsehen und mir das gewünschte Zeugnis ausstellen. Seit John waren hunderte von Gesichtern an ihnen vorübergeeilt. Es stand kaum zu erwarten, dass sie sich an einen bestimmten Studenten erinnerten. Ich konsultierte den Rechner der Zentralbibliothek und suchte die Namen und genauen Titel der Herrschaften heraus.
Dann machte ich mich auf den Weg in die langweilige Stadt in Hertfortshire, wo Johns Mutter lebte. Die Sache hätte natürlich heikel werden können, aber ich erinnerte mich, dass John sich von seinen früheren Freunden losgesagt hatte und ich daher wahrscheinlich der Einzige wäre, der sich anlässlich seines Todes mit Mrs. Exton in Verbindung gesetzt hatte. Vielleicht war es tollkühn, den Besuch zu wagen, aber ich hatte mich schließlich noch auf nichts eingelassen. Außerdem war mir eingefallen, dass mir noch ein paar Einzelheiten fehlten, wie beispielsweise sein genaues Geburtsdatum und seine Sozialversicherungsnummer.
Es war wirklich unglaublich einfach.
»Sicher schmerzt es Sie, jetzt alles sortieren zu müssen«, sagte ich. »Wenn Sie möchten, helfe ich Ihnen gern.«
Natürlich rührte ich seine persönlichen Dinge nicht an. Weder den Teddybär noch Kinderbücher oder Spielsachen; auch nicht seinen Freischwimmerausweis oder die Preise, die er in der Schule gewonnen hatte. Aber ich nahm die langweiligen Papiere mit, die seine Mutter jetzt nicht mehr brauchte, die mir aber zu seiner Identität verhelfen konnten. Anschließend half ich ihr, seine Kleider und Bücher zusammenzupacken, und fuhr sie zur nächstgelegenen Obdachlosenhilfe. Dann machte ich uns beiden einen Tee und ließ mir von ihr etwas vorweinen. Dabei konnte ich meine Aufregung kaum unterdrücken. Ich hatte mich auf eine Reise begeben, die mein Leben in eine andere Richtung führen würde. Genau wie bei John vor drei Monaten.
Ich bin sicher, Sie wissen inzwischen, dass sein Name nicht wirklich John Exton lautete. Da ich einen Roman nach einer wahren Begebenheit schreibe, können Sie sich noch nicht einmal darauf verlassen, dass ich das Geschlecht der handelnden Personen nicht verändert habe. Ich habe sehr früh lernen müssen, niemals darauf zu vertrauen, was die Leute sagen. Und wenn meine Texte in Ihnen allmählich ebenfalls Skepsis hervorrufen, dann sollten Sie mir dankbar sein für diese wichtige Lektion.
Sie haben eine ungewöhnliche Art , die Dinge zu sehen , Viv . Der vorliegende Text ist mit dem Ihnen eigenen Duktus und viel feinem Gespür geschrieben , aber er erscheint mir fast ein wenig zu glatt . Ich komme nicht dahinter , was Ihre Charaktere wirklich denken . Sie zeigen der Welt ein plausibles Gesicht , aber man weiß nie so genau , was hinter der Maske vorgeht .
Was die praktische Seite angeht , so würde ich gerne einmal einige Seiten von Ihnen lesen , die ohne Adjektive und Adverbien auskommen . Suchen Sie eher nach aussagekräftigen Verben . Sie dürfen nie vergessen , dass der übermäßige Gebrauch von Adjektiven immer auf einen wenig routinierten Autor hinweist . E. J. Dolby
3. KAPITEL
K ate hatte vergessen, wie viel es zu lernen gab, ehe man zuverlässig Bücher am Computer erfassen konnte. Im lang gestreckten Erfassungsraum der Bodleian Bibliothek hingen starke Leuchtröhren über Reihen von Terminals und Computern. Kate wurde einem jungen, hoch gewachsenen Mann mit dunklem Haar und getönten Brillengläsern anvertraut.
»Ich bin Marc«, stellte er sich vor. »Machen Sie es sich bequem.« Mit diesen Worten rückte er einen Stuhl neben seinen eigenen, der vor einem dunklen, grauen Bildschirm stand. »Bevor wir loslegen, erkläre ich Ihnen am besten noch einmal, wie der öffentlich zugängliche Online-Katalog funktioniert«, sagte er.
Er tippte auf die Tastatur. Auf dem Bildschirm vor ihnen leuchtete in grünen Buchstaben ein Menü auf. »Wenn ein Leser in eine der angeschlossenen Bibliotheken kommt und ein bestimmtes Buch verlangt, muss er zunächst einmal an einem solchen Terminal nach der Signatur suchen. Die trägt er dann in den Anforderungsschein ein. Der Angestellte in der Aufbewahrung sucht das Buch heraus und schickt es in den Lesesaal. Hier haben wir das Eingangsmenü. Jetzt müssen wir der Maschine erklären, dass wir ein Buch suchen wollen.« Er tippte eine Zahl ein und drückte auf Return. Auf dem Bildschirm erschien eine Auswahl, bei der die Suche nach Autorenname, Titel oder Inhalt
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