Letzte Ausfahrt Oxford
von ihrer Mutter oder sonst etwas Wichtiges.«
»Kacke.«
»Solche Worte höre ich nicht gerne aus dem Mund einer Frau.«
»Sie haben die Wahl: Entweder geben Sie sich weiter mit Ihren damenhaften Freundinnen ab, oder Sie gewöhnen sich daran.«
Er presste die Lippen zusammen. Ungehobelte, unflätige Frauen konnte er offenbar wirklich nicht leiden. Aber Kate war auf seine Kooperation angewiesen.
»Na gut, es tut mir Leid. Ich werde mich bemühen, mich in Ihrer Anwesenheit gewählter auszudrücken. Aber sagen Sie mir, was Ihnen sonst noch durch den Kopf geht.«
»Nehmen wir einmal an, Sie haben Recht, und Jenna wurde von jemandem getötet, den sie kannte – egal, ob Mann oder Frau. Ich möchte nicht, dass Sie das zweite Opfer des Mörders werden. Das Mädchen hat nacheinander in mehreren Bibliotheken gearbeitet, genau wie Sie. Es wäre doch durchaus vorstellbar, dass sie die gleichen Widersprüche aufgedeckt hat wie Sie. Vielleicht hat sie sogar die gleichen Fragen gestellt. Warum zum Beispiel hat sie ganz unvermittelt Urlaub genommen und ist zu ihrer Freundin nach Kalifornien gereist? Könnte es nicht sein, dass sie etwas Verdächtiges bemerkt hat und einer Spur gefolgt ist?«
»Von einem Trip nach Kalifornien wusste ich gar nichts«, sagte Kate und überlegte, ob sie sich eine Reise auf Jennas Spuren leisten könnte.
»Den Plan, ihr nachzureisen, schlagen Sie sich besser gleich aus dem Kopf. Haben Sie mich verstanden, Kate?«
»Auf jeden Fall verstehe ich, dass es sich bei dem Mord nicht um eine Zufallstat handelte. Also könnte es durchaus einen Zusammenhang mit dem Problem geben, an dem ich im Auftrag des Sicherheitsteams arbeite. Aber ich stelle wirklich keine unüblichen Fragen. Ganz bestimmt nicht.«
Er lachte. »Das glaube ich Ihnen nicht. Nie und nimmer. Sie sind gar nicht in der Lage, jemanden zu treffen, ohne ihm gleich die unerhörtesten Fragen zu stellen. Man könnte es fast schon als Ihr Markenzeichen ansehen. Und damit ist Ärger geradezu programmiert. Nehmen Sie nur den heutigen Abend: Sie haben mir einige sehr direkte Fragen gestellt und mich obendrein in Ihr Haus eingeladen, obwohl Sie mich kaum kennen.«
»Gehe ich damit etwa ein Risiko ein? Eigentlich wirken Sie auf mich nicht besonders gefährlich.« Lag da etwa eine gewisse Enttäuschung in seinem Blick? Sein Gesicht gab Gefühle nicht ohne weiteres preis.
»Um Ihrer eigenen Sicherheit willen sollten Sie mir mehr von der Arbeit erzählen, mit der das Sicherheitsteam Sie betraut hat.« In seiner Stimme lag die ganze Verachtung des Profis gegenüber einem Amateur.
»Der Job ist streng vertraulich. Ich musste eine Vereinbarung unterschreiben.«
»Glauben Sie etwa, die Informationen, die ich Ihnen eben gegeben habe, wären allgemein zugänglich? Auch ich habe Vereinbarungen unterzeichnet, wissen Sie!«
Sie zögerte noch immer, und er fuhr fort: »Ich mache mir lediglich Sorgen um Ihre Sicherheit. Natürlich will ich nicht Ihre Untersuchungen, was immer es sein mag, breittreten. Aber ich will auch nicht, dass Sie in Gefahr geraten.«
Kate entschloss sich. »Kommen Sie. Sehen Sie sich meine Notizen an, wenn Sie mögen. Allerdings habe ich bisher damit weder besonders viel zur Zufriedenheit des Sicherheitsteams beitragen können noch irgendwelche Buchdiebe das Fürchten gelehrt.«
Im Arbeitszimmer im Untergeschoss musterte Paul ihren Computer mit anerkennendem Blick. »Ganz schön schnelles Teil«, konstatierte er fachmännisch. »Und Sie machen tatsächlich jeweils zwei Back-up-Disketten und bewahren Sie an unterschiedlichen Stellen auf!«
»Eigentlich bin ich ziemlich ordentlich«, erklärte sie.
»Aber wozu brauchen Sie all diese Bücher?«, wollte er wissen, während er die ringsum an den Wänden angebrachten Regale musterte. Erstaunt sah sie ihn an. In ihrem Arbeitszimmer bewahrte sie nur eine kleine Auswahl auf. Es waren die wenigen hundert Bücher, die sie häufig benutzte.
»Was für ein Durcheinander«, meinte er. »Überall stecken Lesezeichen drin, und alle haben Eselsohren.«
»Das liegt daran, dass ich diese Bücher benutze«, gab sie zurück. »Ich lese darin, verstehen Sie?«
»Meine Schwester besitzt Bücher«, sagte er. »Sie bezieht sie über einen Club, aber sie verwahrt sie hinter Glas, damit sie nicht staubig werden.« Er nahm ein Buch aus dem Regal und blies über die Schnittkante: Eine dünne Staubwolke stob empor und tanzte im Licht der Schreibtischlampe.
»Ja, sie sind staubig, jedenfalls die meisten.
Weitere Kostenlose Bücher