Letzte Ausfahrt Oxford
auch einfacher, wenn Sie später das Personal kennen lernen. Also, ich fasse zusammen: Sie werden sich unseren Bestand ansehen und uns darüber informieren, wie arbeitsintensiv die Nacherfassung ausfallen wird. Das halte ich für äußerst hilfreich.«
Kate bemühte sich, gleichzeitig hilfsbereit und bescheiden dreinzublicken.
»Außerdem hat mich Charles darüber informiert, dass Sie möglicherweise in der Lage sind, unseren Bücherdieb zu finden.«
Sofort verlieh Kate ihrem Gesicht einen Ausdruck von Entschlossenheit und messerscharfer Intelligenz.
»Ich werde Sie jetzt mit der Belegschaft bekannt machen. Anschließend wird unsere Bibliothekarin Angela Rugby Ihnen Ihren Arbeitsplatz zeigen. Wenn ich Ihnen bei Ihrer Arbeit irgendwie beistehen kann, lassen Sie es mich bitte wissen. Alle meine Angestellten kommen mit ihren Problemen zu mir. Ich erachte es als durchaus nicht ungewöhnlich, wenn Sie nach der Arbeit noch in mein Büro kommen möchten.« Der Entenschnabel nickte freundlich, während sich die Lider fast gänzlich über die blassblauen Augen senkten.
»Es gibt da eine Sache, bei der Sie mir vielleicht helfen könnten«, hakte Kate sofort ein. »Könnten Sie mir sagen, wer hier für die Praktikanten zuständig ist?«
»Nichts einfacher als das«, antwortete er. »Das bin ich.«
Helle Wimpern blinzelten. Sein ehemals blondes Haar zeigte graue Strähnen und lichtete sich deutlich. Sah er aus wie ein Mann, der ein Mädchen im Auto angreifen und es an einem regnerischen Sonntag auf einer Baustellenzufahrt erdrosseln könnte? Seine Hände waren weich und gepflegt, wie üblich bei Bibliothekaren. Die Finger schienen wie geschaffen, mit einem Füllfederhalter mit Goldfeder Eintragungen auf Katalogkarten vorzunehmen, nicht aber, einem Mädchen eine Strumpfhose um den Hals zu schlingen und so heftig zu zerren, bis alles Leben aus ihr entwich.
»Könnten Sie mir etwas über Jenna Coates erzählen? Sie hat letztes Jahr ihr Praktikum hier absolviert und sie …«
»Sie wurde getötet«, fiel er ihr ins Wort. Aus seiner Stimme klang unterdrückter Ärger. »Ermordet. Welch unglaubliche Vergeudung! Welch sinnlose, bösartige Vergeudung eines jungen Lebens.«
»Ich wüsste gern, in welchen Bibliotheken sie gearbeitet hat«, sagte Kate. »Ich weiß bereits, dass sie in St. Luke’s war, aber wissen Sie, wo sie sonst noch eingesetzt wurde?«
»Ehrlich gesagt verstehe ich nicht ganz, was das mit Nacherfassung oder der Suche nach einem Bücherdieb zu tun hat«, wandte Chris Johnston ein.
»Ich auch nicht«, gab Kate zurück. »Aber ich habe bisher so viele merkwürdige Übereinstimmungen gefunden, dass ich mir nicht mehr ganz sicher bin, ob ihr Tod nicht vielleicht doch etwas mit den Diebstählen zu tun hat. Ich stimme völlig mit Ihnen überein, dass der Tod eines jungen Menschen eine traurige Vergeudung ist, und möchte daher nach Möglichkeit herausfinden, wer es getan hat, und vor allem, warum.«
Chris Johnston antwortete nicht, ging aber zum Aktenschrank und nahm einen Ordner heraus. »Sie begann ihre Praktikantenlaufbahn in der Bodleian«, sagte er. »In der Erfassungsabteilung. Sie blieb zwei Monate und erlernte die Grundlagen der Online-Erfassung. Damit war sie ausgezeichnet für die nächsten Bibliotheken gerüstet. Anschließend wurde sie im Leicester College an der Buchausgabe eingesetzt. Dort lernte sie die Tätigkeiten des Hilfsbibliothekars kennen: Stempeln, Zeitschriften einheften und hinter Büchern mit überschrittener Leihfrist herzufahnden. Soweit ich informiert bin, kam sie gut mit den Studenten zurecht und bekam von Kevin Newton, dem dortigen Bibliothekar, ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt.« Kate merkte sich den Namen, während Chris Johnston fortfuhr: »Danach kehrte sie für ein paar Wochen in die Bodleian zurück. Ihren nächsten Einsatz hatte sie hier im Kennedy House. Ich lasse die Praktikanten gern für eine Weile hier arbeiten, auch wenn es nur kurz ist. So lerne ich sie persönlich kennen und kann mir ein Bild von ihren Fortschritten machen. Jenna arbeitete mit der Leiterin unserer Instandhaltungsabteilung, mit Susie Holbech, zusammen. Ich glaube, sie kümmerten sich um die Kilworth-Sammlung. Dabei handelt es sich um amerikanische Jugendliteratur, die dem Institut vor einigen Jahren vermacht wurde. Susie wies Jenna in die tägliche Arbeit der Instandhalter ein.«
Vor Kates Augen entstand unwillkürlich das Bild einer Art Hexenküche, in der weiß bemäntelte Gehilfen
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