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Letzte Beichte

Letzte Beichte

Titel: Letzte Beichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen FitzGerald
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angerufen, um zu sagen, dass er sein Anti-Aggressionstraining verpasst hat, weil er in Glasgow Green mit einer Schlägerei beschäftigt war‹.«
    Er schrie mich eine Weile an – Sozialarbeiter seien allesamt Arschlöcher und so weiter –, und während er noch zeterte, klingelte mein Telefon. Ich konnte nicht einfach auflegen und an meinen Apparat gehen, denn jetzt hatte er zu weinen begonnen. Er war in Wahrheit das Arschloch, richtig? Ein Arschloch und das Allerletzte, und vielleicht sollte er einfach Schluss mit allem machen.
    Nachdem mein Apparat dreimal vergeblich angeklingelt worden war, versprach ich, die Nachricht ein wenig zu modifizieren: »Danny, Chris Campbell hat angerufen. Sagt, dass es ihm nicht gutgeht und er gleich morgen früh vorbeikommt.«
    Ich rief sofort im Sekretariat an, wo man mir sagte, dass der Chef meiner Chefin und dessen Chef nach ihrem Meeting das Haus verlassen hatten.

    Scheiße.
    »Ich hatte Sie doch gebeten, das zu verhindern!«, sagte ich, nachdem ich ins Sekretariat zurückgerast war.
    »Ich habe Sie dreimal angerufen. Ihre Nummer ist übrigens die 3153«, sagte sie.
    In der guten, alten Zeit, als ich noch nicht über die Reife und Weisheit verfügt hatte, die aus Mutterschaft und wahrer Liebe erwachsen, hätte ich die Schlampe am Kragen gepackt und geschüttelt. Oder zumindest eine schneidende und geistreiche Bemerkung über ihr Köpergewicht gemacht. Aber ich hatte mich weiterentwickelt. Selbst ein Mörder aus Europas gefährlichstem Gefängnis hatte mir Geheimnisse anvertraut, die er besser für sich behalten hätte. Und so sagte ich nur: »Stimmt, das haben Sie.« Dann setzte ich mich auf einen Stuhl neben ihr, um der Rückkehr des Chefinnenchefs zu harren.
    Ich wartete zwei Stunden lang neben der Sekretärin, die währenddessen unbehaglich mit ihren Stiften herumspielte. Von Zeit zu Zeit ging sie ans Telefon und war unglaublich freundlich zu allen Anrufern. Sie verlieh ihrer Meinung Nachdruck. Mit Nachdruck.
    Sozialarbeiter, die in Kinderschutzbelangen ein und aus eilten, griffen sich im Vorübergehen Kindersitze von einem Stapel, der gegenüber dem Fotokopierer stand. In den Befragungsräumen hörte man Frauen und Männer brüllen – sie brüllten sich gegenseitig an, und sie brüllten ihre Betreuer an. Sekretärinnen gingen an ihre Telefone und unterhielten sich miteinander über das Wochenende. In der Zwischenzeit wartete ich.
    Und wartete.
    Aber der Chefinnenchef und sein Chef kehrten nicht mehr zurück, und schließlich saß ich allein in dem geschlossenen Büro. Als ich ging, wurde es dunkel. Jemand hatte ›Fuck You‹ auf die Motorhaube meines Autos gekratzt.
    Ich musste nach Hause fahren. Ich musste mit Chas sprechen. Er würde dafür sorgen, dass ich mich besser fühlte. Er würde mir sagen, was zu tun sei. Er würde mich in den Arm nehmen.

    »Wo zum Teufel bist du gewesen?« Er sprach mich an, ehe ich Gelegenheit gehabt hatte, im Badezimmer meinen Tabakmief loszuwerden.
    »Dir auch einen guten Abend.«
    »Ich habe dir doch gesagt, dass ich um sieben ins Atelier muss!«
    »Oh Gott!« Ich konnte nicht fassen, dass ich das vergessen hatte. Chas blieben nur noch wenige Tage, um die Ausstellung vorzubereiten, von der so vieles abhing.
    »Ist das die Art, wie es künftig ablaufen soll? Robbie schläft. Du hast ihn seit acht Uhr nicht mehr gesehen, und du kommst hier zwölf Stunden später herein, ohne dich auch nur zu entschuldigen!«
    Er zog seinen Mantel an, als Kampf Nummer zwei begann.
    »Tut mir leid, Chas, bitte hör mir zu. Ich hatte einen absolut schlimmen Tag –«
    Aber er war schon zur Tür hinaus, die Atelierschlüssel in der Hand.
    Er würde so lange weg sein, wie er brauchte, um sich zu beruhigen, und er würde malen, was immer er dazu malen musste.
    Ich blieb allein mit meinem Problem zurück. Ich spähte ins Kinderzimmer, wo Robbie mit in die Luft gerecktem Popo schlief. Sein leicht geöffneter Mund ruhte auf dem Kissen, und seine langen Wimpern bogen sich in Richtung der Augenbrauen. Mein Junge.
    Nachdem ich wieder einmal eine Pizza in die Tonne geworfen hatte, erinnerte ich mich an mein vorschwangerschaftliches Kippenversteck. Ich hatte sie immer in einem Plastikbehälter über einem Hängeschrank in der Küche gebunkert. Jetzt rauchte ich alle sieben hintereinander auf, alt und eklig, wie sie waren, und dann lag ich die ganze Nacht lang wach, nickte kurz ein, schreckte wieder hoch und fragte mich, ob ich eingenickt und wieder hochgeschreckt sei oder

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