Letzte Bootsfahrt
irgendjemandem im Weg, vielleicht …“
Gasperlmaier kam ein fürchterlicher Gedanke. Ihm war diese Beziehung im Weg gewesen! Er hatte sich furchtbar darüber aufgeregt, dass sich die Mutter mit dem Doktor Schwaiger abgab! Er war der Hauptverdächtige. Er entschloss sich zu einem sofortigen Geständnis. So lange zuzuwarten, bis die Frau Doktor selber daraufkam, wie sehr ihm das Geturtel zwischen seiner Mutter und dem Doktor Schwaiger missfallen hatte, das würde er sowieso nicht aushalten. „Ich war’s jedenfalls nicht!“, rief er ein wenig zu laut. Gasperlmaier blickte erregt um sich, um zu sehen, ob ihn jemand gehört haben könnte. „Mir ist der Doktor Schwaiger zwar ganz gewaltig auf die Nerven gegangen, aber ich hab ihn nicht umgebracht! Das müssen Sie mir glauben!“ Gasperlmaier erschrak. Gerade hatte er selber die übliche Formel gebraucht, die Verdächtige immer wieder vorbrachten, ohne dass man ihnen jemals Glauben schenkte. Würde ihm die Frau Doktor glauben? Einen Moment lang war sich Gasperlmaier gar nicht mehr sicher, ob er nicht vielleicht doch in einem Anfall geistiger Umnachtung den Doktor Schwaiger mit einem Hammer erschlagen und in die Plätte gewuchtet hatte. Wusste man es? Schließlich gab es so etwas wie Schlafwandeln. Vielleicht hatte er es getan, ohne dass er sich daran erinnern konnte.
„Na, jetzt reißen Sie sich einmal zusammen!“, fordert ihn die Frau Doktor auf. „Natürlich glaube ich nicht, dass Sie oder Ihre Mutter an dieser Tat beteiligt waren, da wäre ich ja blöd! Ich kenne Sie doch! Wenn es jemanden gibt, dem ich keinen Mord zutraue, dann sind Sie das! Sie überlegen ja immer viel zu lang, wälzen die Gedanken hin und her, Sie sind kein Mann für eine hasserfüllte, tief emotionale Gewalttat!“ Gasperlmaier fragte sich, ob in dieser als Beruhigung gedachten Ansprache der Frau Doktor nicht auch eine ganz kleine Beleidigung verborgen lag.
Plötzlich fiel Gasperlmaier etwas noch viel Schlimmeres ein. Hatten nicht auch dem Herrn Breitwieser Hose und Unterhose auf den Knien gehangen, als Gasperlmaier ihn tot auf der Toilette vorgefunden hatte? Wenn es nun einen Zusammenhang zwischen den Taten gab, dann hatte er selbst ihn dadurch verschleiert, dass er die Kleidung des toten Herrn Breitwieser wieder in Ordnung gebracht hatte. Nicht auszudenken. Wie sollte er das der Frau Doktor Kohlross beibringen? Es wäre ja nicht der erste Fehler gewesen, den er ihr zu gestehen hatte, in einem anderen Fall hatte er sogar eine Leiche vom tatsächlichen Tatort fortgeschafft, um den Kirtag nicht zu stören. Gasperlmaier dachte mit Schaudern daran. Diesmal hatte er doch dem Herrn Breitwieser nur die zusätzliche Entwürdigung ersparen wollen, von der Frau Doktor mit heruntergelassener Hose aufgefunden zu werden, das wäre ihm, zum damaligen Zeitpunkt, völlig pietätlos erschienen. Nun, wo er sah, wie die beiden Frauen mit dem bedauernswerten Herrn Schwaiger umgingen, schien ihm dieses Problem recht relativ, vergleichsweise.
„Wir sollten jetzt wirklich zu Ihrer Mutter fahren, Gasperlmaier.“ Er nickte zustimmend. Wahrscheinlich war es wirklich gescheiter, jetzt etwas Sinnvolles zu tun, anstatt sich den Kopf zu zermartern. Dennoch, so schwor sich Gasperlmaier, er musste der Frau Doktor noch heute reinen Wein einschenken, was den Tod des Herrn Breitwieser betraf.
Der Kahlß Friedrich trat zu ihnen. „Was geschieht jetzt, Frau Doktor?“ Sie lehnte sich an ihren Audi. Missmutig musterte sie die Maggie Schablinger, die immer noch auf ihrer Kühlerhaube saß und darauf wartete, dass der Leichenwagen mit dem Doktor Schwaiger wegfahren würde. Immerhin hatte sie dann ein Foto mit dem Sarg, das aber, so dachte Gasperlmaier schadenfroh, würde ihre Leser nicht vom Sessel reißen. Die wollten schon Blutigeres sehen. „Wir fahren jetzt einmal hier weg“, sagte die Frau Doktor. „Ich möchte mich mit Ihnen nicht unter den Augen dieser Hyäne besprechen.“ Ihr Blick verriet Gasperlmaier, dass sie nur die Maggie meinen konnte. „Du steigst hinten ein, Gasperlmaier“, befahl der Friedrich, bevor er sich auf den Beifahrersitz des Audi zwängte. Gasperlmaier beobachtete ihn mit Sorge. Wenn der Friedrich noch weiter zulegte, würde man in ihren Dienstwagen eine Sonderausstattung einbauen müssen, damit sein Bauch Platz hatte und er gleichzeitig mit den Füßen die Pedale erreichen konnte.
Kurz bevor sie Gasperlmaiers Elternhaus erreichten, hielt die Frau Doktor in einer Bushaltestelle an.
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