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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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hatten wir nicht einmal einen Verdächtigen. Außer ihm vielleicht, dachte ich. Ich beobachtete ihn und mußte dabei ständig an den Schlüssel in meiner Hosentasche denken. Ich wollte nicht, daß er davon schon erfuhr. Er wirkte auf mich wie ein Mann, der etwas im Schilde führt, und ich wollte seine Geschichte hören, bevor ich ihm meine erzählte. »Was ist denn in Ashland?« fragte ich.
    Es entstand eine Pause von einer Millisekunde. »Ich habe dort Verwandte.«
    »War Johnny wirklich beim Militär?«
    »Ich habe keine Ahnung. Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß ich ihn jahrelang aus den Augen verloren hatte.«
    »Wie ist der Kontakt wieder aufgelebt?«
    »Johnny hat sich gemeldet.«
    »Woher wußte er, wo er Sie finden würde?«
    Ungeduld blitzte über sein Gesicht, als würde er fotografiert. »Er hatte meine Adresse. Was soll denn das? Ich muß Ihnen diesen Kram nicht beantworten. Das geht Sie einen feuchten Kehricht an.«
    »Ich versuche ja nur, dieser Sache auf den Grund zu gehen.«
    »Tja, versuchen Sie’s woanders.«
    »Chester glaubt, daß Johnny im Zweiten Weltkrieg Spion war, irgendeine Art Doppelagent für die Japaner.«
    Ray rollte kurz die Augen und schüttelte dann hastig den Kopf. »Wo hat er denn das her?«
    »Es ist zu kompliziert, um es zu erklären. Er sagt, der alte Knabe war völlig paranoid. Er glaubt, daß es damit zusammenhängt.«
    Ray sagte: »Der alte Knabe war paranoid, aber das hatte nichts mit den Japsen zu tun.«
    »Womit denn?«
    »Warum soll ich Ihnen das verraten? Ich habe keinerlei Veranlassung, Ihnen mehr zu vertrauen als Sie mir.«
    »Und dabei habe ich gedacht, daß wir so gute Kumpels wären«, sagte ich.
    »Tja, sind wir nicht«, sagte er sanft.
    Ich zog den Schlüssel aus der Hosentasche und hielt ihn gegen das Licht. »Sagt Ihnen der irgend etwas?«
    Sein Blick schnellte zu dem Schlüssel. »Woher haben Sie den?«
    »Er war in einem Safe, den Bucky in Johnnys Wohnung gefunden hat. Haben Sie ihn schon einmal gesehen?«
    »Nein.«
    »Wie steht’s mit dem Safe? Wußten Sie davon?«
    Er schüttelte langsam den Kopf. Es war wie Zähneziehen.
    »Ich begreife nicht, worum es geht«, sagte ich.
    »Es geht um nichts. Um gar nichts.«
    »Wenn es nichts ist, warum sagen Sie es dann nicht? Es kann nicht schaden.«
    »Sehen Sie, ich weiß eventuell, wer eingebrochen hat. Wenn es derjenige war, an den ich denke, dann könnte mir jemand hierher gefolgt sein. Das ist alles, und auch da könnte ich mich irren.«
    »Hinter was war er her?«
    »Herrgott. Geben Sie nie auf?«
    »Sie müssen doch irgendeine Ahnung haben.«
    »Tja, habe ich nicht.«
    »Natürlich haben Sie eine«, sagte ich. »Warum sollten Sie sonst den ganzen Weg von Ashland hierher fahren?«
    Erregt erhob er sich und ging zum Fenster hinüber, wobei er seine Hände in die Taschen bohrte. »He, kommen Sie. Es reicht. Ich habe das langsam satt. Sie können mich nicht zwingen zu antworten, also können Sie es genausogut aufgeben.«
    Ich stand auf und folgte ihm hinüber zum Fenster. Ich lehnte mich an die Wand, damit ich sein Gesicht beobachten konnte. »Ich sage Ihnen, wie ich es sehe. Für mich klingt es nach etwas Kriminellem.« Ich tippte mir an die Schläfe. »Ich denke mir, was, wenn Johnny nie bei der Air Force war? Ich habe immer noch Probleme mit diesem Teil der Geschichte. Wenn er nicht beim Militär war, dann sieht gleich alles anders aus. Weil man sich dann fragen muß, wo er die ganze Zeit war.«
    Rays Blick begegnete meinem. Er wollte etwas sagen, überlegte es sich aber dann offenbar anders.
    »Wollen Sie meine Theorie hören? Mir ist folgendes eingefallen«, sagte ich. »Er hätte im Gefängnis gewesen sein können. Vielleicht war diese Geschichte von der Air Force — dieser Schwachsinn vom Freiwilligenkorps — lediglich eine höfliche Erklärung für seine Abwesenheit. Der Krieg hatte damals schon begonnen. Es klingt wesentlich patriotischer, zu sagen, daß der Gatte nach Übersee gegangen ist, als daß er eingebuchtet wurde.« Ich wartete einen Moment, aber Ray reagierte nicht. Ich hielt mir eine Hand hinters Ohr. »Kein Kommentar?«
    Er schüttelte den Kopf. »Das ist Ihre Theorie. Sie können denken, was Sie wollen.«
    »Sie wollen mir also nicht weiterhelfen?«
    »Nicht im geringsten«, sagte er.
    Ich stieß mich von der Wand ab. »Nun gut. Vielleicht überlegen Sie es sich ja noch anders. Ich wohne bei Johnny um die Ecke fünf Häuser weiter unten auf der Albanil. Sie können vorbeikommen und

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