Letzte Ehre
plaudern, wenn Sie bereit sind.« Ich ging auf die Tür zu.
»Das begreife ich nicht«, sagte er. »Ich meine, was kümmert es Sie?«
Ich blickte zu ihm zurück. »Ich habe da so eine Ahnung, und ich wüßte gern, ob ich recht habe. In meinem Beruf ist das eine gute Übung.«
Beim Mittagessen gönnte ich mir einen Viertelpfünder mit Käse und verbrachte den Nachmittag gemütlich mit dem neuen Krimi von Elmore Leonard. Ich hatte mir immer wieder gesagt, wie schön es war, nichts zu tun zu haben, doch ich merkte, daß mich die Untätigkeit leicht irritierte. Eigentlich halte ich mich nicht für zwanghaft, aber ich hasse Zeitverschwendung. Ich räumte meine Wohnung auf und machte ein paar Schubladen sauber, setzte mich wieder an mein Buch und versuchte, mich zu konzentrieren. Am Spätnachmittag warf ich mich in meinen Blazer und ging vor an die Ecke, um einen Happen zu essen. Ich hatte eine Frühvorstellung im Kino im Sinn, falls ich mich für einen Film entscheiden konnte.
Die Umgebung war ruhig, und jede zweite Veranda hob sich im Licht hervor. Kühle lag in der Luft, und die Dunkelheit schien immer früher hereinzubrechen. Ich konnte das Abendessen riechen, das sich irgend jemand kochte, und sah anheimelnde Bilder vor mir. Hin und wieder weiß ich nichts Rechtes mit mir anzufangen, und dann spüre ich das Fehlen einer Beziehung. Liebe hat etwas, das dem Leben eine Art Mittelpunkt verleiht. Ich würde mich auch nicht über den Sex beklagen, wenn ich noch wüßte, wie das geht. Ich müßte mir das Handbuch bereitlegen, falls ich es jemals wieder schaffen sollte, mit jemandem ins Bett zu gehen.
Bei Rosie’s war es fast leer, doch kurz nachdem ich mich hingesetzt hatte, sah ich Babe und Bucky zur Tür hereinkommen. Ich winkte, und die beiden kamen nach hinten zu meiner Nische, Hüfte an Hüfte, die Arme um die Taille des anderen geschlungen.
Ich sagte: »Wo ist Ihr Vater, Bucky? Ich hatte gehofft, ihm zu begegnen. Wir müssen etwas besprechen.«
»Er hat eine Ladung Zeug zur Müllkippe hinübergefahren, aber er müßte bald zurück sein«, sagte Bucky. »Möchten Sie sich zu uns setzen? Wir wollten uns an der Bar niederlassen und die Sechs-Uhr-Nachrichten ansehen, bis Dad kommt.« Im Dämmerlicht der Kneipe sah er beinahe gut aus. Babe trug Stiefel, einen langen Jeansrock und eine blaue Jeansjacke.
»Danke, aber ich esse nur schnell etwas und gehe dann vielleicht ins Kino.«
»Tja, also wir sind dann da drüben, falls Sie es sich noch anders überlegen.« Sie schlenderten davon an die Bar.
Unterdessen war Rosie aus der Küche hervorgekommen, und ich sah ihr zu, wie sie zwei Bier zapfte, bevor sie zu mir an den Tisch kam. Sie hatte bereits Stift und Bestellungsblock hervorgezogen und kritzelte nun drauflos. »Ich habe ideale Essen für dich«, sagte sie, als sie mir die Speisekarte entriß. »Ist Schweinsleber in Scheiben mit Wurst und eingelegte Knoblauchgemüse, gekocht mit Speck. Dazu ich mach’ dir Apfel-Wirsing-Salat mit knusprige Brötchen.«
»Klingt anregend«, sagte ich. Ich sagte nicht, wozu.
»Dazu du trinkst Bier. Ist beser als Wein, der paßt nix gut zu eingelegte Knoblauchgemüse.«
»Allerdings nicht.«
Ich aß, das muß ich sagen, mit herzhaftem Appetit, obwohl ich später wahrscheinlich Verdauungsstörungen bekommen würde. Das Lokal füllte sich allmählich mit dem Happy-Hour-Volk aus der Nachbarschaft und mit Singles, die von der Arbeit kamen. Rosie’s war zu einem Lieblingstreff der hiesigen Sportler geworden und damit für diejenigen unter uns verloren, die sich nach Ruhe und Frieden sehnten. Wären meine Zuneigung zu Rosie und die Nähe zu meiner Wohnung nicht gewesen, hätte ich mir vielleicht schon ein anderes Lokal gesucht. Ich sah, wie sich Bucky und Babe an einen Tisch setzten. Chester kam wenige Momente später, und die drei berieten sich, bevor sie ihr Essen bestellten. Inzwischen war es in der Kneipe dermaßen laut, daß es mir nicht taktvoll erschien, mich zu ihnen zu setzen und ein Gespräch über Johnnys Vergangenheit anzufangen.
Um fünf nach halb sieben bezahlte ich meine Rechnung und ging zur Tür hinaus. Ich verlor langsam das Interesse an einem Film, aber es bestand immer noch die Chance, daß ich bei der »Sippschaft« Begeisterung wecken konnte.
Als ich nach Hause kam, überquerte ich den hinteren Innenhof und klopfte am Türrahmen. Ich hörte ein gedämpftes »Juu-huu!«, spähte durch die Fliegentür hinein und entdeckte Nell, die auf einem hölzernen
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