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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Matchsack in der rechten Hand aus der Einfahrt heraus. Er ging mit gesenktem Kopf und gekrümmten Schultern in meine Richtung. Aufgrund des schwachen Lichtes der Straßenlampe konnte ich sehen, daß es weder Bucky noch Chester, noch Ray war. Dieser Typ hatte einen vollen, dunklen Wuschelkopf. Er war dunkel gekleidet, und er muß Schuhe mit Gummisohlen getragen haben, da seine Schritte beim Gehen kaum ein Geräusch auf dem Straßenbelag verursachten. Er schickte sich an, die Straße zu überqueren. Ich behielt ihn im Blick und sah neugierig zu, als er auf einen weißen Ford Taurus zuging, der auf der anderen Straßenseite in Gegenrichtung geparkt stand. Er nahm den Matchsack in die linke Hand, während er seine Autoschlüssel hervorzog und die Fahrertür aufschloß. Verwirrt blickte ich zurück zu Buckys Haus, aber das Anwesen lag nach wie vor ohne jeglichen Hinweis auf Bewohner im Dunkeln.
    Der Mann öffnete die Tür, schob den Matchsack auf den Beifahrersitz, setzte sich hinters Lenkrad und schlug die Autotür zu. Ich beobachtete ihn dabei, wie er sein Konterfei im Rückspiegel betrachtete, sich das Haar zurückstrich und einen Stetson aufsetzte. Ich ließ mich außer Sichtweite gleiten, während er seinen Wagen startete, die Scheinwerfer einschaltete und davonfuhr, wobei seine Lichter meine Windschutzscheibe streiften. Sowie er um die Ecke gebogen war, startete ich meinen Wagen und fuhr los. Ich wendete rasch, machte hastig die Scheinwerfer an und bog vielleicht sechs Sekunden nach ihm um die Ecke. Ich sah seine Rücklichter gerade noch, als er auf der Castle rechts abbog. Ich mußte das Gaspedal durchtreten, um den Blickkontakt nicht zu verlieren. Binnen Minuten befand er sich auf der Autobahnauffahrt Richtung Norden und steuerte auf Colgate zu. Ich gliederte mich zwei Wagen hinter ihm in den fließenden Verkehr ein und hielt den Fuß fest aufs Gaspedal gedrückt.

6

    Jemanden mit einem einzigen Auto zu verfolgen, ist meist Zeitverschwendung, vor allem bei Nacht, wo ein zweites Paar Scheinwerfer im Rückspiegel des Betroffenen auffällt. In diesem Fall glaubte ich allerdings, daß der Kerl — egal, was er im Schilde führte — keine Ahnung hatte, daß ich ihm folgte. Als er aus Johnnys Garagenwohnung gekommen war, hatte er weder wachsam noch vorsichtig gewirkt, und ich durfte annehmen, daß eine Beschattung das letzte war, womit er rechnete. Ich hatte selbst nicht damit gerechnet, und so war ich mindestens genauso erstaunt wie er. Er unternahm auf der Autobahn nichts — keine trickreichen Spurwechsel, keine plötzlichen Ausfahrten — , was darauf hingewiesen hätte, daß er von meiner Anwesenheit wußte. Die Silhouette des Stetson lieferte mir ein hübsches optisches Merkmal im Kontrast zu der Flut entgegenkommender Scheinwerfer. Er nahm die Ausfahrt an der oberen State Street, und ich ordnete mich hinter ihm ein. Während ich mit der linken Hand lenkte, wühlte ich mit der rechten in meiner Handtasche nach einem Stück Papier und einem Stift. Ich konnte zumindest seine Autonummer aufschreiben, solange er in Sichtweite war. Das Kennzeichen ließ darauf schließen, daß es sich um einen Mietwagen handelte. Ein weiterer Hinweis war die Aufschrift von Penny-Car-Rental auf der Umrandung des Nummernschilds. Ganz toll. Ich notierte mir die Nummer auf der Rückseite eines alten Einkaufszettels. Später würde ich mir jemanden suchen, der die Unterlagen der Autovermietung durchging.
    Es war 7.17 Uhr, als der weiße Taurus in den gekiesten Hof des Capri einbog, eines Motels mit zehn Einheiten neben der Parallelstraße. Der Parkplatz wurde von einer durchhängenden Kette elektrischer Christbaumkerzen umgrenzt, die zwischen zwei Pfosten aufgespannt worden war. Das Motel selbst bestand aus zwei Reihen kleiner Holz- und Schindelhäuschen, jedes mit einem Autostellplatz an der Seite. Die Dunkelheit hatte die Fassaden in genügend Schatten getaucht, um die abblätternde Farbe, die verzogenen Fliegenfenster und die Billigbauweise zu verbergen. Die meisten Häuschen schienen leerzustehen: unbeleuchtete Fenster, keine Autos auf den Stellplätzen. Vor einer Einheit stand ein zu klein geratener U-Haul Transporter. Die ersten beiden Häuschen zur Linken waren bewohnt, ebenso wie das zweite auf der rechten Seite, wo mittlerweile der Taurus geparkt hatte.
    Der Fahrer verschloß seinen Wagen und betrat die kleine Betonveranda des Häuschens, deren Beleuchtung vierzig Watt Helligkeit spendete. Ich wartete, bis er das Häuschen

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