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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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aufgeschlossen hatte und hineingegangen war, bevor ich meinen VW langsam auf dem gekiesten Parkplatz zu einer der unbeleuchteten Hütten gegenüber rollen ließ. Ich fuhr rückwärts auf die Stellfläche, machte die Scheinwerfer aus und drehte das Fenster herunter. Die Stille wurde vom Ticken des abkühlenden Metalls meines Motors durchbrochen. Außerdem von einer versagenden grünen Christbaumkerze, die irgendwo über meinem Kopf flackerte und brummte wie eine fröhliche grüne Biene. Ich saß in der Dunkelheit und überlegte, wie lange ich zu warten bereit war, bevor ich nach Hause fuhr. Die arme Nell mußte sich fragen, wie weit der Supermarkt entfernt lag. Ich hatte ihr rasche Erledigung versprochen — höchstens fünfzehn Minuten. Mittlerweile war ich schon doppelt so lange weg. Ich hatte ein zappeliges Gefühl in der Magengrube, ein seltsames emotionales Gebräu aus Angst und Erregung. Was befand sich in dem Matchsack, den der Typ mitgenommen hatte? Könnte Einbrecherwerkzeug sein. Ich ging von der Annahme aus, daß es derselbe Kerl war, der die Bude schon einmal auf den Kopf gestellt hatte, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, was es wert war, noch einmal zu kommen. Ray Rawson hatte ja einen Verdacht, wer der Einbrecher gewesen sein könnte, aber er hatte keinerlei Hinweis darauf geliefert, weshalb sich jemand die Mühe machen sollte. Jetzt wünschte ich, ich hätte ihm diese Information abgerungen. Auf jeden Fall war die Sache es wert, ein Weilchen zu warten. Wenn mir die Geduld ausging, würde ich mir die Adresse des Motels notieren und morgen früh mit Hilfe eines Telefontricks herausfinden, wer sich dort eingemietet hatte.
    Ich sah erneut auf die Uhr. Nun war es 7.32 Uhr. Der Knabe war seit etwa einer Viertelstunde in dem Häuschen. Wollte er die Nacht dort verbringen? Ich konnte wirklich nicht ewig hier herumsitzen, und ich hielt es nicht für erfolgversprechend, um die Hütte herumzuschleichen und zu versuchen, in die Fenster zu spähen. Womöglich reiste der Typ mit einem übellaunigen Köter, der einen Riesenstunk machen würde. Das hier war genau die Art von Etablissement, das Kinder und abartige Haustiere aufnehmen mußte. Wie sollten sie sonst Kundschaft bekommen, außer durch Zufall?
    Als ich gerade meine Zelte abbrechen wollte, sah ich eine Bewegung auf der Veranda des Häuschens. Der Mann kam in Begleitung einer Frau heraus, die nun den Matchsack trug. Er hatte noch immer den Hut auf und schleppte einen Koffer, den er im Kofferraum verstaute. Sie reichte ihm den Matchsack, und er legte ihn neben den Koffer. Dann öffnete er die Autotür und half ihr beim Einsteigen auf der Beifahrerseite. Mir fiel auf, daß sie sich nicht die Mühe mit irgendwelchen Abreiseformalitäten machten. Entweder fuhren sie nur kurz weg, oder sie verschwanden, ohne zu bezahlen. Er ging hinüber zur Fahrertür. Ich ließ meinen Wagen im gleichen Moment an wie er seinen und nutzte seinen Lärm als Tarnung für meinen. Seine Heckscheinwerfer gingen an, und über die zwei leuchtendroten Flecken legte sich das Weiß der Rückfahrscheinwerfer.
    Ich ließ meine Scheinwerfer ausgeschaltet und wartete, bis der Taurus rückwärts herausgefahren war und nach rechts auf die Straße bog. Er fuhr in Richtung Landstraße, und ich folgte ihm in diskretem Abstand. Ich war nicht glücklich über diese Anordnung. Auf der Straße war nicht viel Verkehr, und wenn ich mich auf Dauer an den Kerl anhängen mußte, würde ich Ärger bekommen. Glücklicherweise bog er auf die Autobahnauffahrt Richtung Norden ein, und als ich mich hinter ihm einordnete, befanden sich genügend Autos auf der Straße, um meine Anwesenheit zu verbergen.
    Der Fahrer des Taurus blieb auf der rechten Spur und passierte zwei Ausfahrten, bis er schließlich dort abbog, wo es zum Flughafen und zur Universität ging. Angesichts der beiden Gepäckstücke in ihrem Kofferraum nahm ich nicht an, daß sie zu einer Abendvorlesung an der UCST unterwegs waren. Die Abzweigung zog sich nach oben und weiter nach links und verbreiterte sich auf sechs Spuren. Ein Taxi kam von einer Zubringerstraße, und ich nahm den Fuß ein wenig vom Gas, damit es sich zwischen uns schieben konnte. Der Taurus blieb auf der rechten Spur und bog bei Rockpit ab. Am Stopschild bog er ein weiteres Mal rechts ab. Ich hielt mich im Windschatten, als zuerst der Taurus und dann das Taxi zum Flughafen abbogen.
    Ich beobachtete, wie der Taurus auf die linke Spur wechselte und am Parkscheinautomaten für den

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