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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Make-up, Puder, Rouge. In einem kleinen runden Behälter hatte sie ein Produkt namens DermaSeal, »ein wasserfestes Kosmetikum zum Kaschieren kleiner Unregelmäßigkeiten«. Ich äugte kurz um die Ecke zu ihr hinüber, nur um festzustellen, daß sie ihrerseits in meine Richtung äugte. Hinter mir war der Wandschrank, den ich liebend gern durchsucht hätte. Ich ging ins Badezimmer und hob ein feuchtes Handtuch auf, das sie über den Badewannenrand gehängt hatte. Ich zog den Duschvorhang gerade und spülte die Toilette, als hätte ich sie soeben geschrubbt. Dann ging ich zurück in die Ankleideecke und öffnete die Schranktür. Bingo. Der Matchsack.
    Ich hörte sie rufen: »Was machen Sie da?« Sie klang verärgert, und ich fürchtete, meine Grenzen übertreten zu haben.
    »Brauchen Sie noch mehr Kleiderbügel, Miss?«
    »Was? Nein. Ich habe jede Menge.«
    Wollte ja nur hilfsbereit sein. Sie brauchte nicht so gereizt zu reagieren.
    Ich schloß die Tür des Wandschranks und nahm die restlichen sauberen Handtücher wieder an mich. Sie stand nun auf der anderen Seite des Zimmers und beobachtete mich genau, während ich meine Aufgaben erledigte. Ich richtete meinen Blick auf einen Punkt links von ihr. »Was ist mit dem Tablett? Ich kann es mitnehmen, wenn Sie fertig sind.«
    Sie warf einen raschen Blick auf den Schreibtisch. »Bitte.«
    Ich legte die Handtücher beiseite und ging zum Schreibtisch hinüber, wo ich den Zimmerschlüssel ergriff und auf das Tablett schob, während ich ihn mit der zerknitterten Serviette bedeckte. Ich ging zur Tür hinüber und hielt sie mit der Hüfte auf, während ich das Tablett im Flur auf den Fußboden stellte. Dann nahm ich die Handtücher wieder an mich.
    Sie stand neben der Tür und hielt mir etwas entgegen. Zuerst dachte ich, sie reichte mir eine Nachricht. Dann wurde mir klar, daß sie mir ein Trinkgeld gab. Ich murmelte »Dankeschön« und ließ den Geldschein in die Tasche meines Kittels gleiten, ohne nachzusehen, wieviel es war. Ihn zu beäugen, hätte Habgier meinerseits vermuten lassen. »Einen angenehmen Abend noch«, wünschte ich.
    »Danke.«
    Sowie ich zur Tür draußen war, zog ich den Schein hervor und sah nach, wieviel es war. Oh, wow. Sie hatte mir fünf Dollar gegeben. Nicht schlecht für ein simples zehnminütiges Aufräummanöver. Vielleicht konnte ich noch an der Tür gegenüber klopfen. Wenn ich die ganze Etage durchmachte, könnte ich mir mein Zimmer heute nacht gerade so leisten. Ich nahm ihren Zimmerschlüssel von dem Tablett herunter und ließ es stehen, wo es war. Es sah zwar eklig aus, wie es da so stand, und seine Wirkung auf meinen frisch gesaugten Flur gefiel mir gar nicht, aber im Jargon meines derzeitigen Jobs ausgedrückt, fiel das Abservieren von Tabletts nicht in meinen Bereich.

9

    Als ich wieder in meinem Zimmer ankam, war es zo.45 Uhr. Ich fühlte mich schmuddelig und halbtot von der Kombination aus körperlicher Arbeit, Streß, fettigem Zimmerservice-Essen und Jetlag. Ich schälte mich aus meiner Uniform und hüpfte unter die Dusche, wo ich mir das heiße Wasser wie einen Wasserfall über den Leib prasseln ließ. Ich trocknete mich ab und zog einen der vom Hotel bereitgestellten Unisex-Bademäntel an. Mein Ersatzslip war mittlerweile trocken, wenn auch ein wenig steif, und hing wie der Balg eines seltenen Tieres über dem Handtuchhalter. Als ich aus dem Badezimmer in die Ankleideecke trat, sah ich, daß das Lämpchen an meinem Telefon blinkte. Es mußte also geklingelt haben, während ich unter der Dusche stand — garantiert Henry, da er der einzige war, der wußte, wo ich mich aufhielt. Es sei denn, die Hotelleitung war hinter mir her.
    Mit leichtem Unbehagen rief ich die hausinterne Vermittlung an. »Hier ist Ms. Millhone. Das Lämpchen an meinem Telefon blinkt.«
    Der Angestellte ließ mich kurz warten und meldete sich dann wieder. »Es ist eine Nachricht für Sie eingegangen. Ein Mr. Pitts hat um 20.51 angerufen. Dringend. Bitte rufen Sie zurück.«
    »Danke.« Ich wählte Henrys Nummer. Noch bevor ich überhaupt den Apparat an seinem Ende klingeln hörte, nahm er den Hörer ab. Ich sagte: »Das ging aber schnell. Du mußt ja buchstäblich auf dem Telefon gesessen haben. Was ist denn los?«
    »Ich bin ja so froh, daß du anrufst. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Hast du etwas von Ray Rawson gehört?«
    »Warum sollte ich von ihm hören? Ich dachte, er sei verschwunden.«
    »Tja, das war er auch, aber er ist wieder da, und ich fürchte,

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