Letzte Ehre
Assistentin von Jillian Brace von der Verkaufs- und Marketingabteilung.« Mit der freien Hand griff ich in meine Jackentasche und zog eine Visitenkarte hervor, die ich vor ihr schwenkte.
Sie schnappte sich die Karte und studierte sie mit scheelem Blick. »Da steht Burnham J. Pauley. Was wird denn hier gespielt?« Sie hatte ein breites Gesicht, und jeder Zug darin schien vor Argwohn zu beben.
»Tja«, sagte ich. »Herrje. Ich bin froh, daß .Sie das fragen. Weil nämlich. Offen gestanden erwägt die Geschäftsleitung neue Uniformen. Aus Sicherheitsgründen. Und Mr. Pauley hat Ms. Brace gebeten, ihm ein Exemplar der vorhandenen Uniformen zu zeigen.«
»Das ist das Lächerlichste, was ich je gehört habe«, fauchte sie. »Wir haben diese Uniformen gerade erst bekommen, wie die Geschäftsleitung sehr wohl weiß. Außerdem ist das keine korrekte Vorgehensweise, und davon habe ich die Nase voll. Ich habe Mr. Tompkins bei unserer letzten Abteilungsleiterbesprechung gesagt, daß das mein Bereich ist und ich auch vorhabe, das so beizubehalten. Sie warten hier. Ich rufe ihn auf der Stelle an. Ich lasse mir von der Geschäftsleitung nicht in meinem Bereich herumpfuschen.« Sogar ihr Atem roch indigniert. Ihr Blick wandte sich wieder mir zu. »Wie heißen Sie?«
»Vikki Biggs.«
»Wo ist Ihr Namensschild?«
»Oben.«
Sie zeigte mit dem Finger auf mich. »Rühren Sie sich nicht vom Fleck. Ich werde dieser Sache auf den Grund gehen. Die Geschäftsleitung hat vielleicht Nerven, jemanden einfach so hier herunterzuschicken. Welche Nummer hat Ms. Braces Anschluß?«
»202.«, sagte ich automatisch. Sehen Sie? Das ist das Schöne daran, wenn man diese Fertigkeiten pflegt. In einer Krisensituation brauche ich nur den Mund aufzumachen, und schon plumpst eine Flunkerei heraus. Ein ungeübter Lügner kann sich nicht immer so ohne weiteres aus einer Situation retten wie ich.
Sie schritt durch die geteilte Tür und bewegte sich dabei mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloß. Ich legte mir die Uniformen über den linken Arm und ging zielstrebig und mit klopfendem Herzen weiter. Als ich um die Ecke gebogen war, verfiel ich in den Laufschritt. Ich fand das Treppenhaus und eilte die Treppen hinauf, indem ich zwei Stufen auf einmal nahm. Ich wagte nicht, die Hotelaufzüge zu benutzen. Ich malte mir aus, wie Mrs. Spitz den Sicherheitsdienst alarmierte und Wachleute auf der Suche nach mir die Ausgänge umstellten. In der dritten Etage ging mir die Luft aus, aber ich stieg weiter. Den sechsten Stock passierte ich keuchend, mit brennenden Schenkeln und dem Gefühl, als würden mir gleich die Kniescheiben abfallen. Schließlich wankte ich durch die Tür mit der Acht, endlich wieder auf vertrautem Boden, nur eine Biegung des Korridors von meinem Zimmer entfernt.
Ich schloß die Tür zu Zimmer 815 auf, warf die unrechtmäßig erworbenen Uniformen über eine Stuhllehne und brach auf dem Bett zusammen, das mittlerweile ordentlich gemacht worden war. Ich mußte lachen, als ich dalag und versuchte, wieder ruhig zu atmen. Mrs. Spitz sollte lieber ihren Hormonspiegel überprüfen oder die Dosierung ihrer Medikamente einstellen lassen. Sie würde noch gefeuert werden, wenn sie weiterhin so über die Geschäftsleitung lästerte. Ich erwartete beinahe, daß jemand mit Fragen und Anschuldigungen an meine Tür klopfen und eine detaillierte Erklärung für all die Lügen verlangen würde, die ich erzählt hatte.
Ich stand auf und ging hinüber zur Tür, wo ich die Sicherheitskette vorlegte. Die nächsten Minuten verbrachte ich damit, gestohlene Uniformen anzuprobieren. Die erste paßte mir am besten. Ich musterte mich in dem hohen Spiegel. Der Rock war in der Taille zu weit, aber mit dem Kittel darüber machte das ja nichts. An jedem Kittel waren mit einer Nadel weiße Rüschen befestigt, die eine Art Halskrause bildeten, wenn man sie anknöpfte. Der Kittel selbst hatte leicht gebauschte Ärmel. Mit nackten Beinen und meinen Joggingschuhen sah ich aus, als könnte ich im Handumdrehen ein Badezimmer putzen. Ich schlüpfte wieder in meine Jeans und hängte die Uniform in den Wandschrank. Ich wußte nicht, was ich mit den zwei übrigen Uniformen tun sollte, also faltete ich sie zusammen und legte sie in die Schreibtischschublade. Bevor ich das Hotel verließ, würde ich einen Ort finden, an dem ich sie lassen konnte.
Ich ließ mir vom Zimmerservice etwas zum Mittagessen bringen, da ich es nicht wagte, mich so bald wieder im
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