Letzte Ehre
mich in die Reihe der Passagiere, die vor der Sicherheitsschleuse warteten. Meine Handtasche passierte das Röntgengerät, doch als ich den Metalldetektor durchschritt, ertönte ein verräterisches Piepen. Ich betastete meine Taschen, in denen sich außer der Büroklammer und dem bißchen Kleingeld, das ich für das Münztelefon benutzt hatte, nichts Metallisches befand. Ich trat zurück und warf die Gegenstände auf eine Plastikschale. Ich versuchte es noch einmal. Das Piepen schien zu anklägerischem Getöse anzuschwellen. Ich wußte genau, daß die Sicherheitsbeamtin gleich meinen ganzen Körper mit ihrer Wünschelrute abtasten würde, als mir der Schlüssel wieder einfiel, den ich in mein Schulterpolster eingenäht hatte. »Moment mal, jetzt hab’ ich’s.« Zum Ärger der hinter mir Stehenden ging ich ein weiteres Mal zurück, zog den Blazer aus und legte ihn auf das Fahrband. Diesmal kam ich durch. Ich rechnete schon beinahe damit, über den ins Schulterpolster eingenähten Schlüssel befragt zu werden, aber niemand sagte etwas. Diese Leute sahen vermutlich tagtäglich wesentlich merkwürdigere Dinge. Ich sammelte meine Umhängetasche und den Blazer wieder ein und ging auf den Flugsteig zu.
Ich nahm mein Ticket aus der Handtasche, zeigte es der Dame am Schalter und erläuterte ihr meine Situation. Der Flug war komplett ausgebucht, und sie zeigte sich nicht besonders optimistisch, was einen Platz betraf. Ich saß im Wartebereich, während die anderen Passagiere eincheckten. Offensichtlich gab es noch andere, die auf denselben Flug hofften, der, wie es aussah, hoffnungslos überbucht war. Ich beäugte meine Konkurrenten, von denen einige wie streitsüchtige Typen aussahen, die sofort Krach schlagen, wenn irgend etwas nicht klappt. Vielleicht hätte ich das ja selbst versucht, wenn ich der Meinung gewesen wäre, es könnte irgend etwas nutzen. Soweit ich weiß, gibt es eben nur soundso viele Plätze. Das Flugzeug ist entweder flugtüchtig oder nicht. Entsprechend den technischen Gegebenheiten und der Flugsicherung fliegt man, oder man fliegt nicht. Ich habe noch nie von einer Fluggesellschaft gehört, die sich nach lautstarken Beschwerden von Passagieren gerichtet hätte, also wozu nörgeln und schimpfen?
Ich holte meinen Liebesroman vor und begann zu lesen. Als die Abflugzeit nahte, ließ man die Passagiere den Reihen nach einsteigen, von hinten nach vorn, wobei die Privilegierten den Vorzug bekamen. Meiner war nicht darunter. Na ja. Die Schalterdame sandte mir ein entschuldigendes Lächeln herüber, aber es war nichts zu machen. Sie schwor, mich beim nächsten Flug ganz oben auf die Liste zu setzen.
In der Zwischenzeit mußte ich fast vier Stunden totschlagen. Soweit ich mitbekommen hatte, flogen die Besatzungen täglich zweimal die Schleife von Dallas nach Santa Teresa, immer vom selben Flugsteig, und zwar sieben Tage die Woche. Jetzt mußte ich nur noch eine Methode finden, wie ich meine Zeit herumbrachte, und mich dann wieder hier anstellen, bevor der Flug aufgerufen wurde. Wenn ich Glück hatte, bekäme ich einen Platz und wäre unterwegs nach Hause. Hatte ich Pech, saß ich bis Montag nachmittag, 14 Uhr, in Dallas fest.
Ich spazierte ein oder zwei Kilometer im Flughafengebäude umher, nur um mir die Beine zu vertreten. Ich benutzte die Damentoilette, wo ich mich sehr damenhaft benahm. Als ich sie wieder verließ und nach rechts abbog, kam ich an der Flughafenversion eines Straßencafes vorbei, dessen Tische vom Korridor durch einen niedrigen, schmiedeeisernen Zaun und falsche Pflanzen abgetrennt waren. Die kleine Bar offerierte die üblichen Weine, Biere und exotischen Mixgetränke, während unter Glas verschiedene frische Meeresfrüchte auf einem Hügel aus zerstoßenem Eis lagerten. Ich hatte noch nicht zu Mittag gegessen, und so bestellte ich mir ein Bier und eine Portion frische Shrimps, zu denen Cocktailsauce, Austerncracker und Zitronenschnitze serviert wurden. Ich schälte meine Shrimps und tunkte sie in die Sauce, während ich zum Vergnügen ein bißchen die Leute beobachtete. Als ich fertig war, spazierte ich wieder zum Flugsteig.
Ich setzte mich auf einen Platz am Fenster, las in meinem Buch und sah zwischendurch den Flugzeugen beim Starten und Landen zu. Hin und wieder nickte ich ein, aber die Sitze waren nicht für richtigen Schlaf gebaut. Mehr schlecht als recht schaffte ich es, die vier Stunden bis auf gut eine herumzubringen. Gegen Ende dieser Zeit trottete ich hinüber zum
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