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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Zeitungsstand und kaufte mir eine hiesige Zeitung. Um fünf Uhr kehrte ich zum Flugsteig zurück, gerade als der Flug aus Santa Teresa ankam. Ich fragte bei einer der Schalterdamen nach und vergewisserte mich, daß mein Name auf der Standby-Liste stand.
    Die meisten Plätze im Wartebereich waren mittlerweile besetzt, und so lehnte ich mich an eine Säule und überflog die Zeitung. Der Durchgang zwischen Flugzeug und Terminal war bereits geöffnet, die Passagiere der ersten Klasse begannen herauszukommen und sahen dabei wesentlich frischer aus als die Reisenden hinter ihnen. Als nächste kamen die Passagiere der Touristenklasse, die ihre Blicke über die Menge schweifen ließen, um die Personen ausfindig zu machen, die gekommen waren, um sie abzuholen. Viele freudige Wiederbegegnungen. Großmütter rissen kleine Kinder in ihre Arme. Ein Soldat umarmte seine Liebste. Ehefrauen und Ehemänner tauschten Pflichtküsse aus. Zwei Teenager mit einer Traube gasgefüllter Luftballons begannen angesichts eines verlegenen winkenden Typs, der den Durchgang herabkam, zu quieken. Alles in allem war es eine sehr angenehme Art, ein paar Minuten zu verbringen, und ich merkte, wie ich mich nur zu gern von der düsteren Auswahl der Meldungen in der Zeitung ablenken ließ. Ich wollte gerade zu den Cartoons umblättern, als das letzte Häuflein Passagiere aus dem Flugzeug trottete. Es war der Stetson, der mir ins Auge fiel. Ich wandte den Blick ab und sah nur flüchtig auf, als Gilbert an mir vorbeiging.

13

    Ich sah auf die Uhr. Mein Flugzeug würde vermutlich erst in zwanzig oder dreißig Minuten abgefertigt werden. Die Putzkolonne müßte sich durcharbeiten und ausgelesene Zeitungen, zerknüllte Taschentücher, Kopfhörer und vergessene Gegenstände aufsammeln. Ich legte meine Zeitung beiseite und folgte Gilbert, dessen Stetson mitsamt der blaßblauen Jeansjacke und den Cowboystiefeln es leichtmachten, ihn im Auge zu behalten. Er mußte Rays Jahrgang wesentlich näher kommen, als ich auf den ersten Blick gemerkt hatte. Ich hatte ihn auf Ende fünfzig geschätzt, aber er war vermutlich zweiundsechzig, dreiundsechzig, irgend etwas in dieser Gegend. Ich begriff nicht, was Laura an ihm gefunden hatte, es sei denn, sie war buchstäblich auf der Suche nach einem Vater. Worin auch immer die Anziehungskraft bestand, die sexuelle Chemie muß mit seiner Brutalität verwoben gewesen sein. Allzu viele Frauen verwechseln die Feindseligkeit eines Mannes mit Geist und sein Schweigen mit Tiefe.
    Er ging durch die Drehtüren zur gleichen Gepäckabholung wie ich am frühen Samstagmorgen. Der Bereich war voller Menschen und gab mir eine natürliche Deckung. Während Gilbert auf seine Koffer wartete, sah ich mich nach einem Münztelefon um. Vermutlich gab es um die Ecke welche, aber ich wollte ihn nicht aus den Augen verlieren. Ich ging hinüber zum Telefon der Hotelvermittlung und suchte die Nummer für das Dessert Castle heraus. Das Telefonsystem verband sämtliche Hotels, die den Flughafen bedienten, aber man konnte damit nicht woanders anrufen. Ich zog Zettel und Stift aus meiner Tasche, während es am anderen Ende klingelte. »Desert Castle«, sagte die Frau, die schließlich abnahm.
    »Hallo, ich bin drüben am Flughafen. Können Sie mir bitte Ihre Vermittlung geben?«
    »Nein, Ma’am. Ich bin nicht an die interne Vermittlung angeschlossen. Das hier ist ein separater Anschluß.«
    »Tja, können Sie mir dann vielleicht die Telefonnummer von drüben geben?«
    »Ja, Ma’am. Möchten Sie mit der Zimmerreservierung, der Verkaufsabteilung oder mit der Gastronomie sprechen?«
    »Geben Sie mir einfach die Hauptnummer.«
    Sie nannte mir die Nummer, die ich pflichtbewußt notierte. Ich würde mir ein Münztelefon suchen, sobald die Gelegenheit günstig war.
    Hinter mir ertönte schließlich ein Klingeln, das dem einer Alarmanlage ähnelte. Die überlappenden Metallsegmente des Karussells machten einen Ruck und setzten sich entgegen dem Uhrzeigersinn in Bewegung. Zwei Koffer kamen um die Ecke, dann ein dritter und ein vierter, die das Förderband von unten heraufkarrte. Die wartenden Passagiere drängten vorwärts und suchten sich einen Platz, während das Gepäck die schiefe Ebene herabpurzelte und seine langsame Fahrt auf dem kreisförmigen Metallband antrat.
    Solange Gilbert nach seinem Gepäck Ausschau hielt, holte ich zwei Vierteldollars aus der Jackentasche und spielte nervös mit ihnen, während ich abwartete, was er tun würde. Er nahm eine

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