Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
das abgesehen von dem Mietvertrag für das Auto und einem Wischbesen mit abgekaut aussehenden Borsten leer war. Er schlug es wieder zu und sah in der Tasche an der Beifahrertür nach. Ich fuhr mit der Hand in die Tasche auf meiner Seite und zog verschiedene Papiere heraus, darunter eine ordentlich zusammengefaltete Karte der Vereinigten Staaten. Ray grunzte zufrieden und knipste die Innenbeleuchtung an. In ausgebreitetem Zustand nahm die knisternde Karte fast den gesamten zur Verfügung stehenden Raum ein. »Sieht so aus, als müßten Sie nach der U.S. 30 in Richtung Nordosten Ausschau halten.«
    »Wohin?«
    Laura sah zu ihm hinüber. »Ich wette, nach Louisville, stimmt’s?«
    Er drehte sich zu ihr um. »Hast du damit ein Problem?«
    »Gilbert ist nicht blöd, Ray. Was glaubst du wohl, wo er hinfährt?«
    »Soll er doch nach Louisville fahren. Wen juckt das schon? Hier geht’s um eine Fahrt von zwölf Stunden. Er wird nie rauskriegen, welche Route wir genommen haben.«
    »Hör mal, Einstein. Es gibt nur eine«., belehrte sie ihn.
    »Ausgeschlossen. Das ist Schwachsinn. Es muß mindestens ein halbes Dutzend geben«, widersprach er.
    Sie griff hinüber und schnappte sich die Karte. »Du hast zu lang im Gefängnis gesessen.« Ich konnte hören, wie sie im Fond des Wagens lautstark mit der Karte hantierte und sie neu faltete, während sie den Teil mit Dallas und dessen östlicher Umgebung suchte. »Seht euch das an. Es gibt vielleicht eine andere mögliche Strecke, aber die 30 ist die erste Wahl. Gilbert braucht lediglich zu fahren wie ein Wilder, um als erster anzukommen.«
    »Wie soll er uns denn finden? Wenn wir in der Stadt eintreffen, nehmen wir uns zwei Hotelzimmer und verwenden erfundene Namen. Wir zahlen in bar und nennen uns, wie es uns paßt. Hast du es nicht auch so gemacht?«
    »Ja und jetzt siehst du, was passiert ist. Kinsey hat mich in Null Komma nichts gefunden. Und Gilbert übrigens auch.«
    »Das war Glück. Daß sie dich gefunden hat, war der reine Zufall. Frag sie«, sagte er.
    »Ich würde es nicht Glück nennen«, sagte ich beleidigt.
    »Sie wissen schon, was ich meine. Der Punkt ist doch, daß Sie nicht geraten haben, wie sie sich nennt, und sie daraufhin aufgespürt haben. Sie sind ihr lediglich gefolgt, stimmt’s?«
    »Ja, aber was ist mit Gilbert? Wie hat er es geschafft?« fragte ich.
    Ray zuckte die Achseln. »Vermutlich hat er Farley dazu überredet, alles auszuplaudern.«
    Vom Rücksitz ertönte ein Seufzer. »Oh, mein Gott. Stimmt das? Daran habe ich nicht gedacht. Glaubst du, daß Farley in Sicherheit ist?«
    »Darüber kann ich mir jetzt nicht den Kopf zerbrechen«, sagte Ray.
    Ich sah nach hinten zu Laura, die immer noch über die Karte wachte. »Was ist die nächste große Stadt zwischen hier und dort?«
    Laura sah erneut in die Karte. »Wir kommen zuerst nach Texarkana und dann nach Little Rock. Danach folgt Memphis, dann Nashville und so weiter. Wieso?«
    »Weil ich nach Hause möchte. Wir werden in Little Rock einen Abstecher zum Flughafen machen, und ich steige in ein Flugzeug.«
    »Was ist mit Ihrem Ticket?« wollte Ray wissen.
    »Ich rufe einen Freund von mir an. Er hilft mir.«
    Laura sagte: »Wie wäre es in der Zwischenzeit mit einem Boxenstop, bevor ich in die Hose mache?«
    »Klingt gut«, meinte Ray.
    Ich achtete auf die Schilder am Straßenrand, bis ich eine Ausfahrt entdeckte, die mit den internationalen Symbolen für Nahrung und Töpfchen geschmückt war. Einen halben Block weiter unten an der Straße stießen wir auf eine schlecht beleuchtete freie Tankstelle mit Café. Nicht einmal Gilbert wäre so gerissen, uns hier aufzustöbern. Der Tank war noch beinahe voll, und so fuhr ich an den Zapfsäulen vorbei und parkte auf der von der Straße abgewandten Seite. Ray machte sich auf den Weg zur Herrentoilette, während Laura den Kofferraum öffnete und ihren Matchsack herausholte. »Sie können sich mein Kleid ausleihen.«
    In dem unangenehmen Licht der Damentoilette streifte ich meine Reeboks und die nassen Socken ab und schälte mich aus meinem feuchten Blazer, den Blue jeans, dem Rollkragenpullover und der durchnäßten Unterwäsche. Ich erschauerte erneut, aber Lauras trockene Kleider begannen mich zu wärmen, kaum daß ich sie angezogen hatte. Sie trug immer noch den dunkelgrünen Trägerrock aus Cordsamt mit einem weißen Rollkragenpullover darunter, während ich das Jeanskleid, eine Strumpfhose und etwas zu große Tennisschuhe bekam. »Bis gleich«, sagte sie. Sie

Weitere Kostenlose Bücher