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Letzte Ehre

Letzte Ehre

Titel: Letzte Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Knochen gehenden Schüttelfrost erfaßt wurde. Ich ließ den Motor warmlaufen. Der Wagen war ein Ford im »Familienformat«: ein Viertürer mit Automatikschaltung, außen weiß und innen rot. Ich legte den Rückwärtsgang ein und fuhr aus der Parklücke, während ich den leeren Parkplatz nach Gilbert absuchte.
    Ich ließ die Scheinwerfer aus, als ich langsam um den Parkplatz herum und auf die andere Seite fuhr. Die Ausfahrt wurde von einem Polizisten mit Taschenlampe verstellt, der sämtliche Autofahrer dazu zwang, eine Umleitung zu fahren. Ich suchte mir eine Stelle an einer Hecke aus und fuhr über den Randstein, wobei ich den Wagen durch dichtes Buschwerk zwängte. Ich kam etwa dreißig Meter hinter der gesperrten Stelle auf der Zufahrtsstraße wieder heraus. Der Polizist sah mich vermutlich, konnte aber nicht viel machen. Er hatte alle Händevoll zu tun, den Ansturm von Gaffern in Schach zu halten. Ich bog in die Straße ein, die auf die Hauptstraße führte. Als ich an dem Miniaturschloß vorbeikam, verlangsamte ich das Tempo und hupte einmal kurz. Eilig traten Ray und Laura aus dem Schatten. Ray schleppte die drei Gepäckstücke und war beladen wie ein Packesel. Laura hatte immer noch die trügerische Weste umgeschnallt und trug die achttausend Dollar an ihrem Bauch wie einen Säugling. Die Vorspiegelung einer Schwangerschaft war so überzeugend, daß Ray sich fürsorglich um sie kümmerte. Ich hörte, wie der Kofferraum aufging, gefolgt von heftigem Poltern, als Ray alles hineinwarf und den Deckel wieder zuschlug. Er öffnete die Beifahrertür und setzte sich neben mich, während Laura hinten einstieg. Ich drückte den Fuß aufs Gas und fuhr fröhlich davon, bestrebt, Abstand zwischen uns und dem Feind zu schaffen.
    Ray sagte: »Wir haben geglaubt, Sie würden nicht auftauchen. Wir wollten gerade zu Fuß losmarschieren.« Er wandte sich um und spähte durch die Heckscheibe auf das brennende Hotel hinter uns. »War das Gilbert?«
    »Ist anzunehmen«, sagte ich.
    »Natürlich war er das«, sagte Laura gereizt. »Er hat vermutlich vorne gewartet, um uns abzufangen, sowie wir zur Drehtür herauskämen.«
    Ich warf ihr im Rückspiegel einen Blick zu. Wie Ray hatte sie sich umgewandt, um das Feuer zu beobachten. Das Glühen am Horizont ging von Blutrot ins Lachsrosa über, und eine weiße Wolke stieg dort auf, wo das Wasser aus den Feuerwehrschläuchen zu Dampf wurde. »Das ist ja ein Wahnsinnsfeuer. Wie hat er denn das ohne Beschleuniger hingekriegt?«
    »Das mußt du ihm schon lassen. Der Mann hat Ideen. Er ist flink und kann gut improvisieren«, sagte sie.
    Ray drehte sich wieder nach vorn um, griff nach seinem Sicherheitsgurt und ließ ihn einrasten. Ich merkte, wie er mich noch einmal ansah und meinen durchnäßten Zustand studierte. Ich fühlte mich wie ein Hund, den man während eines plötzlichen Regengusses im Hinterhof vergessen hat. Er beugte sich zur Seite und zog ein Taschentuch hervor, das er mir reichte. Dankbar wischte ich die Rinnsale ab, die mir das Gesicht hinunterliefen. »Danke.«
    »Fahren Sie wieder zum Flughafen?«
    »Nicht in diesem Aufzug. Ich habe meine Maschine sowieso verpaßt... Scheiße!« Schlagartig fiel mir ein, daß ich mein Flugticket in meiner zurückgelassenen Umhängetasche vergessen hatte. Ich betastete meine Jackentaschen, doch es hatte keinen Zweck. Ich konnte es nicht fassen. Ausgerechnet. In meiner Hast hatte ich den Umschlag der Fluggesellschaft einfach übersehen. Wenn ich mir nur das Ticket geschnappt oder besser noch die Tasche selbst bei mir behalten hätte. Nun besaß ich nur noch die Habseligkeiten, die ich direkt am Leib trug. Mir war fast schlecht vor Zorn. Das Flugticket repräsentierte nicht nur meine Heimreise, sondern auch den größten Teil meines flüssigen Vermögens. Ich schlug aufs Lenkrad. »Verdammt noch mal«, sagte ich.
    Laura beugte sich zum Vordersitz. »Was ist denn passiert?«
    »Ich habe mein Flugticket dort drin vergessen.«
    »Oh-oh. Tja, dann ist es jetzt weg«, sagte sie und konstatierte das Offenkundige mit etwas, das mir wie ein Grinsen vorkam. Wenn ich nicht am Steuer gesessen hätte, wäre ich auf den Rücksitz gesprungen und hätte sie gebissen.
    Ray mußte meinen Gesichtsausdruck gesehen haben. »Wo fahren wir hin?« fragte er, vermutlich um einer Quarantäne wegen Tollwut zu entkommen.
    »Ich weiß ja nicht einmal, wo wir sind«, grollte ich. Ich zeigte aufs Handschuhfach. »Haben Sie eine Karte da drinnen?«
    Er klappte das Fach auf,

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