Letzte Einkehr: Tagebücher 2001-2009 Mit einem Prosafragment (German Edition)
thüringischen Ministerpräsidenten, dem französischen Kulturminister). – (Weil die Datei zwischendurch dauernd verschwindet, bin ich gezwungen abzubrechen. Der der Maschine ausgelieferte Mensch, ein häßliches Sybaritenwrack).
9 . April 2005 In mir Chaos, um mich Chaos.
Dossier K.
: jede Inspiration dahin. Mein verheerender physischer Zustand. Gestern den ganzen Tag gedöst, Schmerzen in den Eingeweiden, auch jetzt noch, morgens halb vier. Aber das gehört vielleicht nicht hierher. Sicher ist jedoch, daß ich die zuletzt geschriebenen Seiten von
Dossier K.
getrost wegwerfen kann.
10 . April 2005 Ermatteter Rückzug von allen Aktivitäten. In der Nacht las ich
Zugliget
durch und fühlte mich großartig.
Dossier K.
dagegen steckt fest.
18 . April 2005 Die letzten Tage hart gearbeitet.
Dossier K.
Es wird nicht gefallen, daß ich wieder nur mich selbst stilisiere. Keine epische, sondern eine lyrische Leistung, die Haltung eines Dichters. Dazu habe ich das Recht, ob es gefällt oder nicht. M. umarmt mich wohltuend. Berlin beschützt mich wohltuend. Ich denke weniger an den Tod. Andrerseits, in einem gewissen Sinn, intensiver. Ich müßte mehr lesen. (Was heißt mehr? Ich müßte überhaupt lesen, denn ich lese überhaupt nicht.)
30 . April 2005 Was ich gegenwärtig stark empfinde: das unbeschreibliche Erlebnis des Lebens, die Lust zu leben. Gestern abend draußen am Wannsee. Viele Menschen (ein Empfang von Karin Graf), schließlich ein separater kleiner Tisch: mit Magda, der lauthals lachenden Christine Fest, der plötzlich zur Frau erblühten Krombholz, Ingrid und ihrer Freundin. Als wir das Haus spät verließen, empfing uns eine freundliche Frühlingsnacht. Der Hof voller Autos; ein Scheinwerfer nach dem anderen leuchtete auf, und ruhig und verschlossen entfernte sich ein Auto nach dem anderen, wie nach einem schweren Verbrechen.
Es ist nachmittags halb vier, der Himmel über Berlin hell, das Licht durch vorüberziehende Wolken gedämpft, dann und wann kommt die Sonne heraus und beleuchtet die in großen Töpfen blühenden Sträucher unseres Atriums gegenüber. Erfüllt von Lebenslust, versinke ich dennoch in Melancholie.
4 . Mai 2005 Gestern Freie Universität Berlin; noch eine Ehrendoktorwürde, könnte ich hochmütig sagen. Der andere Ehrendoktor war Günter Grass, dieser seltsame Mensch. Den ganzen Tag plagte mich eine Magenverstimmung. Die schöne Laudatio und das die Ehrung begründende «Gutachten». Man verwöhnt mich. Inzwischen habe ich (bis auf weiteres) die Fortsetzung für
Dossier K.
gefunden.
8 . Mai 2005 Kampf mit meinem Übergewicht. Ich schleppe mich dahin, keuche. Magda in Budapest. Große Fortschritte bei
Dossier K.
Ich ertappe mich dabei, daß ich mit der Schilderung der Alterssymptome aufgehört habe. Habe ich mich an sie gewöhnt? Bin ich abergläubisch? Tatsache ist, daß ich mich vor meinen Mitmenschen scheue.
9 . Mai 2005 Mozart. Die Haydn gewidmeten Streichquartette. «Der der Menschheit soviel Freude bescherte …» (Solti). Vier Uhr morgens. Heute fliege ich nach Stuttgart zu Dr. Arnold. – Die Neonazis konnten ihre geplanten Aufmärsche in Berlin nicht abhalten. Hunderttausend Menschen setzten sich in Bewegung und verstellten ihnen den Weg; sie flüchteten schmachvoll, in gesonderten Straßenbahnwagen. – Ich fühle mich ausgeglichen, die Arbeit tut gut. Nichts zu jammern, abgesehen vom Übergewicht.
14 . Mai 2005 Früher Morgen. Bis eben in
Liquidation
gelesen. Mit welcher besonderen Bösartigkeit man dieses Buch «zu Hause», das heißt in Ungarn, niedergemacht hat. Es wird auferstehen … In den vergangenen Tagen harte Arbeit, siegreiches Vorankommen bei
Dossier K.
Magda ist aus Budapest zurück. Wie üblich wieder erschöpft von der Familie, den Enkelkindern. Heute abend
Don Giovanni
in der Staatsoper. Eine normale Wochentagsvorstellung, was dennoch hohes Niveau bedeutet. Will sagen,
Don Giovanni
kann man sich jeden Tag ansehen.
15 . Mai 2005 Schon morgens im Bett muß ich darüber diskutieren, ob
Dossier K.
in einem Band erscheinen soll oder in zwei: der Text extra und die Bilder extra. Mich interessiert das nicht. Magda dafür um so mehr. Schon am frühen Morgen erregt man mich mit einem lächerlichen Pseudoproblem. Ich habe meine Rolle als weltberühmter Schriftsteller satt. Jeder redet mir rein. Dabei ist das Buch noch nicht einmal fertig. War es nicht damals besser, in jenen späten achtziger Jahren, als mich noch kein Schwein gekannt
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