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Letzte Einkehr: Tagebücher 2001-2009 Mit einem Prosafragment (German Edition)

Letzte Einkehr: Tagebücher 2001-2009 Mit einem Prosafragment (German Edition)

Titel: Letzte Einkehr: Tagebücher 2001-2009 Mit einem Prosafragment (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imre Kertész
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verständigen, aber als er sich neben ihren Stuhl hocken konnte, unterhielten sich die beiden recht gut miteinander. – Ich mag
Dossier K.,
genieße das Anwachsen des Materials.
    Übermorgen die Premiere des Films. Mir graust davor. Koltais Selbstreklame. Seit anderthalb Jahren zahlt man mir das Honorar für das Drehbuch nicht aus. Magda hatte den zuständigen Typen noch aus Berlin angerufen: Er log, was das Zeug hielt. Die osteuropäische Grube, in deren Schlamm die fehlgeleitete Hoffnung schmatzend versinkt. Soweit genug für heute. Es ekelt mich.
    10 . Februar 2005  [Budapest] Vorgestern, am 8 ., die Film-Premiere. Die ganze Regierung und die ganze Opposition waren erschienen; die groteske Situation belustigte mich. Danach große Aufregung im Buffet; Hámori und Koltai teilten mir die große Neuigkeit mit: Die Berlinale hat ihr Programm geändert und nimmt den
Schicksallosen
als Wettbewerbsfilm auf (nachdem man bereits eine Liste veröffentlicht hatte, nach welcher der Film nicht vorgesehen war). Aber mit was für komischen Themen befasse ich mich: Wo ist bei alledem mein ureigenes Leben?
    Mir fällt ein, wie verwundert ich 1973 war, nachdem ich den
Roman eines Schicksallosen
beendet hatte. Ich dachte, dieser Junge mit seinem Edelmut, seiner Sprachlosigkeit, seiner inneren Erhabenheit würde die ganze Welt für sich gewinnen. Und konnte nur staunen, wie das Buch aus der Gemeinschaft der übrigen Neuerscheinungen schlitterte und ins Nichts fiel – während ich glaubte, eine Kultfigur geschaffen zu haben, die viel eher einem neuen als dem alten Menschen entspräche. Ich hatte geglaubt, es würden sich Köves-Clubs bilden, meine unvergessliche Figur zu ehren, ihrer zu gedenken, ihr zu huldigen. Jetzt, da der arme Köves wirklich Karriere gemacht hat, empfinde ich nur noch Überdruß, als widerfahre mir sanfte Gewalt.
    12 . Februar 2005  [Budapest] Das Schicksal hatte den amüsanten Einfall, die dicke Suppe namens Holocaust in der Schüssel meines Romans auf den Tisch dieses Landes kommen zu lassen. Wer hätte das gedacht? Mit Nietzsche könnte ich die Frage stellen, warum ich ein Schicksal bin. Aber anstatt amüsiert zu sein, plagt mich eher Ekel.
    17 . Februar 2005  Hier in Berlin ist der Film bei der Presse durchgefallen. Gestern den ganzen Tag Interviews, eines idiotischer als das andere. Ich verfehle meine Lebensaufgabe. Mit allem aufhören, was nicht zu ihr gehört. Könnte ich mich doch – wie andere anständige Schriftsteller – entscheiden, keine Interviews mehr zu geben. – Scherereien mit dem Rechner. In Wahrheit bin ich auf dem absteigenden Ast.
    19 . Februar 2005  Trübe Tage. Der Film – der reine Irrtum, reine Zeitverschwendung. Möglicherweise muß ich auch aus Berlin wieder weg; ich bin dazu bereit. Ich könnte nach Italien gehen, Magda unterstützt die Idee. Ich bin zu freundlich zu den Deutschen, die mich doch eigentlich umbringen wollten. Andererseits darf ich mir die Emotionen, die in den Kritiken zutage treten, nicht zu sehr zu Herzen nehmen.
    20 . Februar 2005  Ich muß mir darüber im klaren sein, daß ich von einer feindlichen Welt umgeben bin, in der mein Dasein nicht natürlich ist. Bringst du der Welt Vertrauen entgegen, wirst du bestraft. Allmählich erwacht wieder der alte Haß, die alte Angst in mir. Vergiß nicht, ständig zum Abgang bereit zu sein – du mußt den Schauplatz ohnehin bald verlassen … Magda. Ich habe eine liebe und gute Frau. Unablässig schreiben, seine Existenz rechtfertigen. – Aus purer Höflichkeit lüge ich zuviel. Warum glaube ich mich dazu
berechtigt
? Da fängt die große Betrügerei an, der man – aus Konformismus – auf den Leim geht.
    24 . Februar 2005  Müdigkeit. Die mörderischen Tage während der Berlinale mit dem dort doch noch präsentierten Film. Die unverschämten Kritiken, von denen ich im Grunde nicht weiß, ob sie mir oder dem Film galten. Ich beobachte eine grundlegende Veränderung: Die Zeit der Reue ist passé – ebenso absurderweise übrigens, wie sie eingetreten war –, heute bemitleiden die Deutschen sich selbst, sie möchten die eigenen Leiden verklären (siehe das lächerliche Hitler-Portrait oder die um Dresden vergossenen, schon verdächtigen Krokodilstränen); trotz allem muß ich wohl noch nicht daran denken, auch aus Berlin wieder wegzuziehen. Im übrigen vergehen meine Tage mit dem hoffnungslosen Kampf mit dem Text, den ich für meinen Pariser Auftritt schreiben muß. Ich kann solche Elaborate nicht mehr

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