Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi
Industriespionage oder Finanzbetrug geht«, sagte Lobato.
»Scheint mir auch so. Aber warum persönliche Meinung? Was ist mit Ihrer dienstlichen?«
»Directeur Manderscheid interessieren nur die Fakten, den Staatsanwalt sowieso. Und die sind, zumindest was die Mordhypothese angeht, dürftig. Kats hat für Lityerses gearbeitet, einen Investmentfonds, als Finanzmathematiker. Drei Tage vor seinem Tod hat er gekündigt. Daraufhin wurde er sofort von seinen Aufgaben freigestellt.«
»Freigestellt? Wieso das?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Sicherheitsbedenken. Diese Leute bewegen Milliarden von Euro, da ist es üblich, dass einen die Security sofort aus dem Gebäude geleitet. Es gibt ansonsten wenig Auffälliges an ihm. Zumindest nicht in seiner jüngeren Vergangenheit. Er ist in den USA vor Jahren von einem ehemaligen Arbeitgeber vor Gericht gezerrt worden, wegen angeblichen Geheimnisverrats. Wurde aber freigesprochen. Das scheint ihn jedoch nachhaltig beeindruckt zu haben. Über drei Jahre lebte er schon in Luxemburg, und seit er hier ist, hat er nicht einmal ein Parkticket bekommen.«
»Und warum sollte er dann von einer Brücke springen?«
»Sein ehemaliger Vorgesetzter berichtet, Kats habe eine Zeit lang unter Depressionen gelitten und sei deswegen auch früher in New York behandelt worden«, antwortete Lobato. »Vielleicht hatte er einen Rückfall. Das lässt einen Selbstmord nicht unplausibel erscheinen.«
Kieffer begann, die Geduld zu verlieren. Auf der einen Seite freute er sich, dass Lobato endlich ein paar Informationen preisgab. Auf der anderen irritierte ihn, dass die Frau das Offensichtliche ignorierte: Dass jemand Kats umgebracht haben musste.
»Das ist doch Unsinn! Da sind diese zwei Männer, die ihn auf der Schueberfouer verfolgt haben. Und dann die Leute, die hinter der Keycard her sind …«
»… wenn Kats Informationen besaß, die diese beiden Männer haben wollten – warum sollten sie ihn dann schnellstmöglich von einer Brücke werfen? Die Schlägerei in Ihrem Zelt ereignete sich kurz nach 23 Uhr, richtig?«, fragte Lobato.
»Ja, in etwa. Vielleicht auch halb zwölf.«
»Eine Stunde später war Kats bereits tot. Das ist nicht viel Zeit, um jemanden zu kidnappen und auszuquetschen. Alles deutet vielmehr darauf hin, dass er den Männern von der Kirmes entwischt ist und allein die Brücke betreten hat.«
Kieffer schüttelte den Kopf. »Aber auch ein Selbstmörder braucht doch einen Grund. Das mit der Depression könnte außerdem vorgeschoben sein. Möglicherweise will Lityerses die Sache vertuschen.«
Lobato zuckte mit den Achseln. »Unsere Wirtschaftsabteilung wird dem nachgehen. Sicher könnte Kats theoretisch an irgendeinem Finanzbetrug beteiligt gewesen sein und sich deshalb das Leben genommen haben. Ich persönlich halte das für eine nicht ganz abwegige Hypothese. Aber einen Mord können wir ausschließen.«
»Wieso sind Sie sich da plötzlich so sicher?«
Sie zögerte einen Moment. Dann sagte sie: »Auf beiden Seiten der Rouder Bréck gibt es Kameras mit Bewegungssensoren. Die registrieren, wenn jemand die Brücke betritt oder verlässt. Kats ist eine halbe Stunde nach Mitternacht an einer der Kameras vorbeigelaufen und fotografiert worden. Allein. Er kam nie auf der anderen Seite an. Davor und danach hat niemand die Brücke überquert, auf den Ihre Beschreibung der mutmaßlichen Verfolger passt.«
Ein Selbstmord also, ohne Zweifel. »Eine Frage noch, Madame. Diese angeblichen Freunde von Kats, waren das Leute, die im Auftrag seines ehemaligen Arbeitgebers handelten?«
Lobato schüttelte den Kopf. »Die haben wir nicht gefunden. Aber Melivias Personalchef hat zu Protokoll gegeben, man habe sich von Kats in bestem Einvernehmen getrennt.«
»Moment. Wer ist Melivia?«, fragte er. Kieffer erinnerte sich nun, dass dieser Name auf der Keycard aufgeklebt gewesen war.
»Melivia ist der Mutterkonzern von Lityerses. Ein großer börsennotierter Schweizer Rohstoffhändler.«
»Und wie geht es jetzt weiter?«
»Ich werde Madame Gabin bitten, meinen Kollegen diese Codes zur Verfügung zu stellen. Die werden dann vielleicht auch noch einmal mit Ihnen sprechen wollen.«
»Welche Kollegen?«
»Aus der Abteilung Wirtschaftskriminalität. Das ist wie gesagt kein Mordfall mehr, und damit nicht mehr meine Sache. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden. Ich muss noch mit Ihrer Freundin sprechen. Mir scheint, sie wird gleich abgeholt.«
Kieffer fuhr herum und sah, dass hinter dem
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