Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi
kehlige Stimme Jensens. »Gröni, Digger! Lassoch jetzt ma’ den Schietofen! Setz’ dich ma’ zu uns!«
Der Gerufene zuckte zusammen, schloss langsam die Ofenklappe und ging zu dem Konferenztisch, an dem außer ihm und Kieffer bereits alle Platz genommen hatten. Grønbergs Lokal in Odense zierten zwei Gabin-Sterne und achtzehn Punkte im Levoir-Brillet. Sein auf hyperlokale Küche spezialisiertes Restaurant war angeblich über Jahre im Voraus ausgebucht. Nicht nur, weil es so populär war und als Anwärter auf einen dritten Stern galt, sondern auch, weil es lediglich zwanzig Plätze besaß. Für mehr Menschen konnte Grønberg nicht kochen, da er darauf bestand, sämtliche in seiner Küche verwendeten Zutaten selbst zu beschaffen. Wenn es Waldbeeren mit Sahne geben sollte, pflückte der Sternekoch diese selbst in einem nahe gelegenen Forst. Er und seine Leute melkten außerdem eine ostdänische Landkuh, um an die benötigte Milch zu kommen. Das zumindest hatte Kieffer im »Feinschmecker« gelesen.
»Bienvenido, compadres!«, rief Esteban. »Wir wollen heute besprechen, was wir demnächst machen. Das hier«, der Argentinier zeigte auf einen Mittvierziger in Jeans und Button-down-Hemd, »ist Klaus Tiede, nuestro director. Klaus, venga!«
Der Regisseur, ein streng gescheitelter Hanseat mit Architektenbrille, blätterte ein Skript auf, das vor ihm auf dem Tisch lag. »Okay. Unsere Show geht über neunzig Minuten, vier Sterneköche kochen um die Wette. Ziel ist es, die Jury und die Fernsehzuschauer zu beeindrucken. Hier vorne«, er zeigte auf eine Reihe von Sitzen, die farblich vom Rest der Publikumsbestuhlung abgesetzt waren, »sitzen die fünf Geschmacksjuroren.«
»Und wer sind die?«, fragte Vernier.
»Zufällig ausgewählte Personen«, antwortete Tiede. »Darunter ein Inkognito-Inspektor des Gabin.«
»Mit Anonymous-Maske oder was?«, gluckste Jensen.
Niemand lachte. »Das«, erwiderte der Regisseur und nickte Valérie zu, »werden wir noch klären. Die Fernsehzuschauer können außerdem auf unserer Webseite voten, wo wir kontinuierlich Fotos der verschiedenen Gerichte posten.«
»Wie viele Gänge?«, fragte Vernier.
»Nur einer«, antwortete Tiede, »denn wir haben neben dem Essen noch Musikeinlagen, diverse Einspieler und weitere Showelemente.«
Valéries Telefon summte. Sie schaute stirnrunzelnd auf das Display. »Entschuldigen Sie bitte, aber da muss ich rangehen. Machen Sie einfach weiter.« Sie stand auf und lief in Richtung Ausgang. Casaubon beeilte sich, ihr zu folgen.
Tiede erläuterte weiter den Ablauf und zeigte ihnen auf einer Zeichnung den genauen Bühnenaufbau.
Jensen beugte sich vor. »Ich hätte da ma’ ’ne Frage. Wann sacht Ihr uns endlich, was wir kochen sollen? Ich brauch’ ’n büschen Vorbereitungszeit. Ich wollte so Chilihuhn machen, mit …«
»– dit hab ick mir jedacht«, unterbracht ihn Vernier, »willste deine Chilisoße inne Kamera halten, wa?«
»Was soll das denn jetzt heißen? Ich mach’ so viel Chili an mein Huhn, wie’s mir passt, Muddi!«
Die hagere Frau bleckte die Zähne. »Mutta? Wat fällt dir ein du miesa, kleena …«
»Ganz ruhig!«, unterbrach sie Esteban. »No disputa, kein Streit darüber, wer was kocht. Das ist unnötig.«
Der Regisseur blickte nervös zwischen Vernier und Jensen hin und her, die beide so aussahen, als würden sie jeden Moment ihre Chefmesser unter dem Tisch hervorziehen.
»Herr Gutiérrez hat völlig recht. Das Showkonzept sieht vor, dass die zu kochenden Gerichte vom Zutat-O-Mat festgelegt werden.«
Jensen blinzelte. »Von was, Digger?«
Der Fernsehmann zeigte auf die riesige Kochmütze. Dann rief er einem Mitarbeiter zu: »Peter, mach’ sie mal an!«
Der Assistent aktivierte das Display. Die kleinen Kacheln, aus denen der Schirm bestand, zeigten nun allesamt goldene Sterne, die wie jene des Guide Gabin aussahen. Der Mann drückte auf einen großen roten Knopf, woraufhin sich die Kochmütze in ein schnell die Farben wechselndes LED-Feuerwerk verwandelte. Nach einigen Sekunden erstarb das Blinken, und auf sechs der Kacheln wurden Bilder eingeblendet.
»Das hier wäre jetzt zum Beispiel eine Zutatenliste«, erläuterte der Regisseur. Er rückte seine Brille zurecht. »Der Zutat-O-Mat hat zufällig ausgewählt, was dem Team zur Verfügung steht. In diesem Fall sind das: Rindfleisch, Kartoffeln, Gurken, Zimt, Lychees und Mozzarella.«
»Bidde? Und was soll man aus dieser Kagge kochen?«, fragte Jensen.
»Bei dir wird dit
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