Letzte Ernte. Ein kulinarischer Krimi
vielleicht jemand an den Kameras zu schaffen gemacht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das haben wir bereits überprüft. Die Apparate waren völlig intakt. Es muss sich um eine Fehlfunktion der Software gehandelt haben. Vermutlich hat sich der Rechner aufgehängt und ist erst nach einiger Zeit wieder korrekt hochgefahren.«
Kieffer ertappte sich dabei, wie er die Handflächen auf den Oberschenkeln hin- und herrieb. Er fühlte sich unkonzentriert und fahrig. Lobato musterte ihn. »Jetzt machen Sie schon.«
»Was meinen Sie?«
»Rauchen Sie halt.«
»Danke.« Kieffer steckte sich eine Ducal an. Sofort wurde er ruhiger. »Vielleicht gibt es eine andere Erklärung für den Kameraausfall.«
Sie musterte ihn interessiert. »Und zwar?«
»Der EDV-Chef des Guide Gabin hat mir erzählt, jemand habe versucht, sich in sein Computersystem einzuklinken. Denken Sie außerdem an das verschlüsselte Tablet. Wenn hier ein Hacker am Werk ist, wäre es doch möglich, dass er den Kameracomputer manipuliert hat.«
Lobato nahm ihr Handy aus der Jackentasche. »Sie haben recht. Vielleicht sind die Bilder noch da.«
Kieffer verstand nicht ganz. »Aber wenn der Hacker die Fotos gelöscht hätte …«
Sie schüttelte den Kopf. »Wenn man Daten von einem Computer löscht, heißt das nicht unbedingt, dass sie für immer weg sind. Wenn Sie etwas in den Papierkorb auf dem Desktop ziehen, wird es nicht mehr angezeigt, ist aber immer noch irgendwo auf der Festplatte.«
»Würde ein Profihacker nicht dafür sorgen, dass die Daten unwiederbringlich weg sind?«
»Vermutlich.« Sie drückte auf die Schnellwahltaste. »Aber einen Versuch ist es wert.«
Lobato telefonierte. Sie bat einen Kollegen, den Brückenrechner einer erneuten Prüfung zu unterziehen und nach Hinweisen auf einen Hackerangriff sowie nach gelöschten Fotodateien zu suchen. Als sie fertig war, ging sie zur Tür. »Sie können jetzt gehen, Haer Kieffer. Aber wenn Ihnen«, sie zog die Augenbrauen zusammen, »eine Information über den Weg läuft oder Ihnen noch etwas einfällt, dann rufen Sie bitte sofort an.«
»Wen? Sie oder Ihren Kollegen Muller?«
»Rufen Sie mich an.«
»Dann ermitteln Sie also wieder wegen Mordes?«
»Aufgrund der Unregelmäßigkeiten mit der Kamera und den Drogenspuren, die wir in Kats’ Körper gefunden haben, können wir Mord nicht mehr ausschließen.«
Lobato geleitete Kieffer zum Ausgang. Während sie mit dem Lift nach unten fuhren, sagte der Koch: »Es tut mir leid, wenn ich Ihnen Scherereien gemacht haben sollte.«
Die Kommissarin schaute ihn verwundert an. So viel Konzilianz schien sie nicht erwartet zu haben. Als sie an der Pforte angekommen waren, sagte sie: »Ich muss ohnehin in die Stadt. Kann ich Sie vielleicht ein Stück mitnehmen?«
Kieffer wertete das als Friedensangebot. »Gerne. Das ist sehr freundlich, Frau Kommissärin.«
Als sie den Parkplatz erreichten, bereute Kieffer, Lobatos Angebot angenommen zu haben. Die Kommissarin steuerte nicht auf einen Dienstwagen zu, sondern auf ihre rote Ducati. Kieffer hasste Motorräder. Er war der Ansicht, dass man sich auf zwei Rädern nicht schneller als fünfundzwanzig Stundenkilometer bewegen sollte, es sei denn, man hieß Andy Schleck und fuhr bei der Tour de France mit. Noch schlimmer als selbst zu fahren war es jedoch, auf dem Sozius zu sitzen. Man besaß keinerlei Kontrolle über das Fahrzeug und musste sich panisch am Fahrer festklammern, damit man nicht herunterfiel. Es war wahnsinnig gefährlich und außerdem fürchterlich entwürdigend.
»Haben Sie denn überhaupt einen zweiten Helm?«, fragte Kieffer. Vielleicht kam er so noch aus der Sache heraus.
»Sie können den von meinem Freund nehmen.« Lobato ging zu einem VW Golf, der einige Meter weiter parkte und entnahm dem Kofferraum einen schwarzen Integralhelm, auf dessen Scheitelpunkt eine grüne Irokesenbürste angebracht war. An den Seiten waren Totenköpfe aufgemalt. Kieffer nahm ihn. Er hörte, wie Lobato die Rennmaschine anwarf und sich ungeduldig umschaute. Der Koch strich mit der Handfläche über den Iro, dann stülpte er den Helm über seinen Kopf. Zumindest würde er als Punkrocker sterben.
Sie fädelten sich auf den Boulevard d’Avranches ein und fuhren in dem bereits dichten morgendlichen Berufsverkehr Richtung Innenstadt. Mit Kieffer auf dem Sozius fuhr Lobato zurückhaltender als bei ihrer ersten Begegnung, bei der sie ihn mit mindestens siebzig Stundenkilometern geschnitten hatte. Dennoch erforderte die
Weitere Kostenlose Bücher