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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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    »Ja, Sir !«
    »Ich warte noch immer!«
    »Worauf, Sir ?«
    »Worauf, worauf! – Auf dein verdammtes Ausbildungsheft! Damit ich jede Seite ansehen und unterschreiben kann. Auf der Rimbaud kommt die Theorie nicht zu kurz!«
    »Jawohl, Sir ! Ich wollte nur noch . . .«
    »Der Kleine musste mir noch bei einer Sache helfen«, sagte der Chefharpunier: »Er bringt das Heft aber sofort vorbei, Kapitän!«
    Sir nickte und sah Doppelbläser an: »Ich bin in meiner Kammer! Mach mir auf den letzten Metern keine Schande mehr! – Du kannst doch schreiben?«
    »Der kann sogar lesen«, sagte der Baske , legte den Arm um den Jungen und zog ihn mit sich von der Nock. Sie schlenderten zum Bug, stellten einen Fuß auf die untere Strebe der Reling und sahen vor sich ins Fahrwasser.
    »Jetzt vergiss mal das Weibsstück «, sagte der Harpunier schließlich: »Ich habe über das nachgedacht, was du vor ein paar Wochen gesagt hast. Das mit dem Reden, mit dem Erzählen, dass alle guten Fischer auch gute Erzähler sein müssen, damit sie ihre Familien satt bekommen, wenn sie mal ohne Fang nach Hause kommen. Darüber habe ich nachgedacht.«
    »Die Sprache kennt die Geheimnisse der Zeit«, sagte Tommy so gelassen wie möglich: »Alle anderen Geheimnisse kennt sie ja auch. Die deutsche Sprache besteht aus ›Buchstaben‹, also aus Stäben der Buche, aus den Ästen eines Baumes also. Die Urform der deutschen Sprache sind Zweige, die auf den Boden gelegt worden sind. Die Zweige der Buche. Darum ist die Buche heilig.«
    »Komm mir doch jetzt nicht mit Bäumen und Büchern.«
    »Mit Buchen und Büchern! Unsere Sprache kennt alle Gemeinsamkeiten!«
    »Oder so.«
    »Die Sprache selbst ist das Archiv, deswegen genügte es lange Zeit auch, ein paar Zweige auf den Boden zu legen, um Gedanken zu lesen. Lesen und legen! Buchen und Bücher! Da hört man doch, wie verwandt das alles ist.«
    Tommy bemerkte, dass der Baske immer nervöser wurde, aber er konnte nicht aufhören, im Ton eines Lehrers fortzufahren. Vielleicht war das ja seine Art, zurückzuschlagen?
    Er sagte: »Die Sprache braucht kein Archiv, weil sie selbst eines ist. Aber sie ist auch absolut gegenwärtig! Die Sprache ist das Gegenwärtigste, was es gibt. Kaum hast du ein paar Buchenzweige zu einem Satz zusammengelegt, schon pfeift der Wind durch die Wipfel und reißt sie mit sich fort. Schon unsere Vorfahren konnten lesen und schreiben, sie wollten ihr Wissen nur nicht archivieren. Warum auch? – Darüber habe ich so nachgedacht.«
    »Aha, na gut. – Und was mich angeht, ich denke immer über den Satz eines Filmhelden nach. Er ist ein Profikiller in einem französischen Film. León sagt: ›Man kann einen Menschen nicht töten, wenn man mit ihm geredet hat. Ein Profi spricht niemals bei der Arbeit!‹ – Ich glaube, da hat er Recht! – Und du hast Unrecht: Man muss der Sprache misstrauen. Man muss schweigen, wenn man handelt.«
    Tommy nickte. Es war eben die Lebenserfahrung dieses alten Seekämpfers. Sollte er ihm sagen, es sei eine überholte Erkenntnis? Lieber nicht. Er nickte noch einmal und versuchte, den Kurs so unauffällig wie möglich zu ändern: »Da ist was Wahres dran, verstehe mal richtig. Ich meine ja auch nicht das Reden während der Arbeit, sondern das Reden als Arbeit. Ich zum Beispiel, ich werde ja mal der letzte deutsche Walfänger sein, weil nach mir niemand mehr ausgebildet wird. Also werde ich bald keine Arbeit als Walfänger mehr haben. Weißt du, was ich einmal tue? Ich werde Bücher über das Leben der letzten Hochseefischer schreiben. Romane, in denen von unserem Leben erzählt wird. Von unseren Schiffen, von unseren Abenteuern, von unserer Arbeit, aber auch von unseren Gedanken, Gefühlen, Visionen und Erinnerungen. Erfahrungen, Erkenntnisse, das wirst du alles in meinen Büchern wiederfinden. Die ganze See wird in meine Bücher passen, wenn es die Hochseefischerei schon gar nicht mehr gibt.«
    »Angeber! – Man muss die Arbeit kleinmachen, man muss sie aufteilen, nur dann kann man sie bewältigen. – Vergiss, was ich gesagt habe, du bist doch noch ein Grünschnabel. Es ist noch zu früh, mit dir über die großen Sachen zu reden«, sagte der Baske und stieß sich von der Reling weg.
    Er spuckte in die See.
    »Welche großen Sachen?«
    »Ach, vergiss es, Junge! – Träum weiter!«, sagte der Chefharpunier und ließ den Lehrling stehen, der die Stirn runzelte und dem Mann nachdenklich nachsah. Was hatte er denn schon groß gesagt?
    Vielleicht war er

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