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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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die sich fest umarmt hielten. Er kehrte in ihren Kreis zurück, in dem sie sich mittlerweile mit dem Strampeln abwechselten.
    Opernsänger aber schlug in den Barthaarstrick so viele Achterknoten wie möglich. Er zog sie nicht ganz zu.
    Zuletzt legte er sich den Strick um den Hals, steckte das lose Ende durch die Schlaufe, in die Väterchen früher die Hälse der Schnapsflaschen geschoben hatte, und zog die Schlaufe dann so fest, dass er sich würgte.
    Er rang nach Atem, paddelte herum und suchte blind die bewusstlosen Fische.
    Er steckte sie mit den Schwänzen durch die Augen der Achterknoten und zurrte die Knoten fest.
    Immer schneller arbeitete er, bis er endlich keine offenen Knoten mehr fand.
    »Immer nur Anfänge!«, sagte er: »Bis zum Ende immer nur Anfänge! So sieht das Leben eines einsamen Mannes aus. – Angefangen, aufgehangen!«
    » Opernsänger ?«, fragte Knirschender .
    »Ja?«
    »Wie ist dein Name?«
    »Carmelos Àlvarez aus Gran Sol.«
    »Gut«, sagte Fetter : »Ich merke ihn mir.«
    Carmelos Àlvarez nickte, er nahm sich den ersten der etwa fünfzehn Kilogramm schweren Fische, tastete ihn kurz ab und biss ihm dann kraftvoll in die Schwimmblase.
    Der Fisch sackte nach unten weg.
    Carmelos Álvarez spürte es im Genick.
    Er nahm den nächsten Fisch und biss auch ihm die Luft aus dem Leib.
    Zwei weitere Fische schaffte er noch, dann wurde er nach unten gezogen. Und wenig später verstarb er im Altwasser des Frischwasserbunkers vier.
    Lautlos, wie es sich für einen richtigen Hochseefischer gehöre, meinte Knirschender , füge sich der Wille dem Körper und stelle die Beinbewegungen schließlich ein. Am Ende entscheide nicht der Wille.
    »Carmelos Àlvarez, Sohn aus Gran Sol?«, fragte der Inder.
    Nichts als Stille.
    »Feigling!«, sagte Kroatischer Riese .
    »Also«, sagte der Inder: »Der Seele die See, der See die Seele!«
    »Der Seele die See, der See die Seele«, murmelten die Männer, und der Dritte sagte pflichtgemäß: »Carmelos Àlvarez aus Gran Sol, genannt Opernsänger , war ein so feiner Kerl, dass die See nicht anders konnte – als ihn zum ewigen Suff zu bitten!«
    Sie schwiegen eine ganze Minute lang, in der Knirschender merkte, wie der Mann neben ihm zu zittern und zu sinken begann. Immer wieder packte er den Dritten am Genick, und schließlich legte er sich wieder auf den Rücken und zog sich den Kopf des jungen Offiziers auf den fetten Bauch.
    »Wenn das meine israelischen Geschäftsfreunde sähen, wie ich einen Moslem rette«, flüsterte Knirschender : »Dann müsste ich wohl nach Deutschland auswandern.«
    »Na, und! Du hast doch schon Ismael im Leben gehalten«, sagte Kroatischer Riese : »Und übrigens bin ich Katholik. – Und wenn dir der Bursche zu schwer wird, dann werfe ihn rüber zu mir!«
    »Wir werden uns jetzt etwas überlegen. Es wird langsam Zeit«, sagte Robert Rösch mit einer Stimme, die die anderen nicht kannten: »Auch wenn Flaute die Natur des Seemanns ist.«
    Kein Kran, der durch die Decke brach, kein Befreiungskommando mit Nebelbomben, das Schott in zwölf Meter Höhe wurde zwar aufgerissen, aber was Robert im Dahinsiechen sehen konnte, waren nur wieder maskierte Gestalten, die den Funker ins Wasser stießen.
    Die Hochseefischer hatten nicht mehr die Kraft, ihrem Funker zu helfen. Selbst Kroatischer Riese blieb im Kreis und starrte hasserfüllt nach oben. Er sah, wie sich auf dem Längsgang eine der Gestalten an der Schalttafel zu schaffen machte. Ein gurgelndes Geräusch durchdrang den Frischwassertank, Neonlicht blendete plötzlich und die Treppe wurde ausgefahren, auf die die Männer so gehofft hatten. Sie registrierten es nur langsam. Knirschender holte den Dritten noch einmal aus der Bewusstlosigkeit zurück.
    Wenig später spürten sie den Boden unter den Füßen. Stehen jedoch konnten sie nicht. Sie fielen auf die Knie und Arme, während das letzte salzige Altwasser abgesaugt wurde. Überall zappelten die Thuns, die in mehreren Schichten übereinander lagen. Dazwischen all die Toten, die bereits aufquollen. Überall Kollegen, die sie mit hässlichen Grimassen anlachten. Robert sah um sich: Allen Leichen waren die Augen herausgefressen worden. Er übergab sich röchelnd, während der Dritte Offizier sich wankend hinkniete und mühsam zu den lachenden Piraten sagte: »Ich bin der ranghöchste Offizier. Ich bin für die Sicherheit meiner Leute zuständig. Ich trete mit Ihnen in Verhandlungen ein. Meine Bedingungen sind: sofortige Freilassung, Versorgung der

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