Letzte Fischer
Walfänger befunden. Blubberstadt .«
» Blubberstadt ? Verarsch mich nicht. Ich glaube ja vieles, aber alles glaube ich auch nicht.«
»Doch, Blubberstadt hat es gegeben, eigentlich Smeerenburg. Über Jahrzehnte hinweg. Auf der kleinen Insel Amsterdam Eiland, die Spitzbergen nordwestlich vorgelagert ist. Die Holländer haben sie gebaut.«
»Wirklich? In dieser Einöde? In dieser Kälte? Hier haben Menschen gewohnt?«
»Ja, Männer. Das mit dem Walfang fing damals gerade so richtig an. Korsette für die Damenwelt, Lampenöl für die Straßenbeleuchtung, das weißt du ja alles. Die Stadt war von der Außenwelt versteckt worden. Sogar in vielen Teilen Europas gab es Blubberstadt nur als Gerücht. Man glaubte damals an ihre Existenz genauso wenig wie du heute. Aber es stimmt!«
»Wirklich?«
»Sechzehnhundertneunzehn wurden hier irgendwo Transiedereien, Lagerschuppen, Unterkünfte und Böttchereien gebaut. Und eine Kirche. Und ein Fort. Drei Jahre später waren hier schon über tausend Männer. Wegen des Wals. Es gab Bordelle und sogar eine Pelzschneiderei. Wegen der Eisbären.«
»Wegen der Eisbären, alles klar.«
»War einer der Wale ausgemacht, die sich hier in den Sommermonaten zu Tausenden paarten oder die hier einfach kalbten, ließ man von den Walfangmutterschiffen Schaluppen zu Wasser, verfolgte das Tier, schleuderte eine Harpune, die das Tier fixierte, und trieb, sobald es erschöpft war, so lange Lanzen hinein, bis es endlich tot war. Ziemlich bestialisch damals. Heute geht das ja fast automatisch und fast reibungslos. Der Wal kriegt heute gar nicht so richtig mit, dass er getötet wird«, sagte der Harpunier und sah den Bootsjungen aufmerksam an.
Tommy nickte und trank schweigend den Tee.
»Bis zu achtzehntausend Männer hatten hier schließlich gearbeitet, und für alle war genug Wal da. Über dreihundert Mutterschiffe. Und heute? Nichts übrig geblieben, rein gar nichts! Stell dir alleine die Skelettberge vor, wenn man die Knochen nicht auch verarbeitet hätte.«
»Aber warum hat das aufgehört? Die Wale kommen doch immer noch.«
»Nein, sie kommen wieder, sie waren eine Zeit weggeblieben. Gerettet hat sie die Klimaveränderung. Sechzehnhundertfünfunddreißig setzte hier eine Wärmeperiode ein, die erst acht Jahre später wieder abklang. Die Wärme trieb die Wale weiter nach Norden, und das war das Aus für Blubberstadt . Blubberstadt versank im Meer.«
»Aber die Jäger folgten den Walen«, sagte Tommy.
Der Baske lächelte und nickte: »Ja, sie folgten den Walen, aber mit dem bequemen Leben an Land war es vorbei. Sie mussten wieder ganzjährig zur See fahren und den Wal auf dem offenen Meer stellen. Da half nichts.«
»Also kommen die Wale seit Millionen von Jahren hierher, um sich zu paaren oder um zu kalben«, sagte Tommy: »Sie wurden Jahrhunderte lang im seichten Wasser harpuniert und erlegt, aber sie verschwanden nicht. Sie suchten sich keinen neuen Flecken, erst als die Wärme kam, aber als die Wärme wieder weg war, kamen sie wieder zurück, um sich erneut töten zu lassen.«
»So ist der Wal. Er weiß, dass wir Menschen ihn brauchen«, meinte der Baske .
»Als es Blubberstadt gab, da haben Hunderte von Fangschiffen Millionen von Walen abgeschlachtet. Ein Wahnsinn!«
»Die Buchten waren rot vom Walblut. Die Fleischberge wurden mit Winden an Land gezogen, um lediglich die Barten und den Blubber zu nutzen. Das ganze viele Fleisch haben sie allzu oft vergammeln lassen. Kannst du dir diesen Gestank vorstellen? Stinkende Fleischberge, die fast bis zum Himmel reichten? Davon träumen die Eisbären heute noch!«
»Glaub ich gern.«
»Und da die Winden nicht in entgegensetzter Richtung funktionierten, konnte das faulende Fleisch auch nicht zurück ins Wasser gebracht werden.«
»Hätte man doch erfinden und bauen können.«
»Ja, wenn man gewollt hätte, dann bestimmt«, sagte der Baske nachdenklich. »Aber, kennst ja die Menschen!«
Zwar nickte Tommy, doch so genau kannte er die Menschen nun auch wieder nicht. Er schwieg und richtete sich auf, weil er die ganze Zeit mit den Unterarmen auf der Reling gelehnt hatte.
»Vielleicht sind diese spitzen Berge ja gar nicht aus Stein und Eis? Vielleicht sind sie aus Knochen? Vielleicht sind unter der Eisschicht da die ganzen Knochen«, sagte Tommy und sah zu Spitzbergen hinüber. »Vielleicht wurde das Walbein nicht ganz verarbeitet. So viele Korsette wurden doch damals bestimmt auch nicht gebraucht.«
»Wer weiß«, sagte der Baske und
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