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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Harry Altwasser
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ging schweigend unter Deck, während Tommy übers Oberdeck schlenderte und sich unter den Niedergang zur Nock hockte, wo er von niemandem gesehen werden konnte. Er wollte ein wenig für sich sein, doch das war ja an Bord nicht so einfach. Lange hatte er suchen müssen, um einen Platz auf dem Schiff zu finden, an dem er allein sein konnte. Intimsphäre, so etwas gebe es an Bord nicht, hatte ihn der Vater einst gewarnt, und nun verstand Tommy, wie anstrengend es werden könne, wenn man keine Rückzugsgelegenheiten habe.
    Er sehnte sich ein wenig nach seinem alten Zimmer. Und nach der schweigsamen, vertrauenden Art seines Vaters. Was würde sein Vater meinen? Würde er dem Basken vertrauen? Konnte Tommy dem Mann glauben, dass es dieses Blubberstadt wirklich gegeben hatte, oder war das nur Seemannsgarn? Ein Garn, das die Langeweile der Abenddämmerung vertreiben sollte?
    Tommy zückte das Handy und versuchte es im Internet bei Wikipedia, doch leider erfolglos. Mal wieder kein Empfang! Tommy hatte schon herausgefunden, dass es hier unregelmäßig Empfang gab, meistens für eine oder zwei Stunden. Der Funker hatte ihm erklärt, dies würde mit dem Wind zusammenhängen. Wenn der Wind dunkle Wolken auf eine bestimmte Art und Weise auftürmen würde, dann würden sie die Strahlen vom fernen Funkturm leiten, aber später hatte Tommy herausgefunden, dass dies gelogen war.
    Er hatte immer dann Handyempfang, wenn der Funker sich in seiner Bude einen Porno herunterlud. Tommy grinste, so dumm war er nun auch wieder nicht. Das war ja leicht zu durchschauen gewesen, aber das mit der Stadt der Walfänger, das klang doch viel zu echt. Tommy beschloss, es zu glauben.
    Plötzlich war es völlig dunkel geworden. Die ganze Zeit hatte der nordische Vollmond gestrahlt, die Sterne, die hier so dicht zu sein schienen, hatten die Nacht aufgehellt, aber von einem Moment zum anderen war es stockfinster geworden. Fast sah Tommy die Hände vor Augen nicht.
    Eine dicke Wolkenwand hatte sich vor den Nachthimmel geschoben, und es dauerte Minuten, ehe sich die zwei Laternen der Pier einschalteten. Aber sie gaben nur wenig Licht, es reichte kaum bis zum Walfänger. Von der Brücke aus schimmerten das grüne und das graue Licht der Armaturen, aber auch da waren ja die meisten Lampen ausgeschaltet. Selbst die Positionslichter waren aus, befand sich das Schiff doch im Hafen. Entspannt lehnte der Bootsjunge sich zurück und schloss die Augen. Nun war er Seemann!
    Nicht so ein einfacher Frachtarbeiter wie sein Vater. Tommy Rahr war Hochseefischer. Er war Walfänger. Sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, wusste er doch, dass er überhaupt einer der letzten Walfänger war. Immer weniger Hochseefischer wurden ausgebildet, und Walfänger gleich gar nicht. Er war einer von fünf in der ganzen Europäischen Union!
    ›Einer von fünf‹, dachte er: ›Tommy, du bist der letzte deutsche Walfänger!‹
    Er öffnete die Augen und sah gelassen den Regentropfen zu, die von den Metallstufen des Niedergangs tropften, und dachte: ›Du wirst eines Tages als letzter deines Volkes einen Wal jagen und erlegen, wer weiß, vielleicht wirst du überhaupt mal der letzte Harpunier sein? Die anderen sind ja alt, viel älter als du! Die gehen ja alle bald in Rente. Tommy Rahr, du wirst der letzte Mann sein, der Geschichten vom Walfang erzählen kann, merke dir also alles, was du hörst und siehst. Was du erlebst, das musst du alles notieren, und wenn es dieses Blubberstadt wirklich gegeben hat, dann wirst du einst von einem alten Harpunier erzählen, der dir an der Reling eines Schiffes wie diesem hier von der sagenhaften Hauptstadt der Walfänger berichtete.‹
    Tommy sah den alten Schmelzer auftauchen und sich an der Gangway postieren, um Wache zu halten. Er rührte sich nicht, sah einfach zu, wie der alte Fischer in seiner regenfesten Kleidung die Backbordseite hoch und runtermarschierte. Immer wieder und mit dicken Gummisohlen unter den Arbeitsstiefeln, damit er die Männer, die unter Deck schlafen wollten, nicht störte. War das nicht das Große dieser männlichen Welt? Vertrauen? Zuverlässigkeit? Sich zurücknehmen, sich einfach nicht so in den Vordergrund spielen, sich einfach einfügen und den angewiesenen Platz so gut wie möglich ausfüllen? Jedenfalls habe sein Sozialkundelehrer das so erklärt, erinnerte der Junge sich. Das Leben an Bord sei ein anderes als das an Land, das müsse der Lehrling verinnerlichen. Er müsse danach handeln. Es sei lebenswichtig,

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