Letzte Gruesse
Rasend komisch alles. Sie hätten gar nicht gedacht, daß Alexander so lustig und fröhlich sein könne, sagten die Übersetzer. Von Deutschen kenne man so was ja gar nicht. Aus New York sei die Warnung gekommen, er habe cholerische Anfälle, und vom deutschen Schriftstellerverband habe sie jemand instruiert, er sei politisch irgendwie mit Vorsicht zu genießen …
Daß er für konservativ gelte, sagten sie flüsternd, einerseits konservativ, andererseits liberal. Und«liberal», das sei in den Staaten ein Reizwort, sie rieten ihm, dieses Wort nie zu benutzen.«Konservativ»zu sein sei hingegen eine gute Sache. Was sie selbst waren, verrieten sie nicht.
Komisch kam es den Leuten vor, daß Alexander zum Bezahlen bares Geld aus der Tasche zog. Der Geschäftsführer des Lokals wurde geholt, ob das überhaupt geht, bar bezahlen?
Die rosa Dame hieß Victoria - er dürfe Victoria zu ihr sagen -, und sie hatte eine sehr hohe Stimme. Sie puschelte ihm die Schuppen vom Kragen und nahm ihn schließlich mit zu sich nach Hause. Erst vier-, dann drei- und schließlich nur noch zweispurig fuhren sie. Bei ihr könne er schlafen, sagte sie, dann spare er das Hotel, und das war Alexander gar nicht recht. Die Dame war ihm zu warm, zu mollig und zu rosa … Zu untersuchen, ob ihre Achseln ausrasiert waren, darauf war er nicht erpicht.
Privat wohnen? So was war ihm lange nicht passiert. In einer rosa Wohnung voller Plüschtiere mit und ohne Knopf im Ohr. Allein schon dies Horchen, ob das Klo frei ist! Und neben dem Waschbecken hängt dann ein lauwarmes Nachtgewand …
Er schloß die Tür und zählte erst einmal seine Dollars durch. Der Aderlaß durch den«Yodler»war nicht so katastrophal, wie er gefürchtet hatte, das Geld war bereits wieder nachgewachsen. Ob er noch was braucht, wurde er durch die Tür gefragt. Nein, sagte er, danke schön. Und dann verbrachte er die Nacht in angespanntester Aufmerksamkeit.
Am nächsten Morgen rief ihn die Gastgeberin mit hoher Stimme zum Frühstück in den Garten, es werde Zei-heit!
Ein runder Tisch mit Korbsesseln drumherum war freundlich angerichtet, allerlei Obst, die verschiedensten Müslis, Kakao und Kaffee, und natürlich dry toast. Den Pfannkuchen mit Sirup wolle er erst einmal als typisch amerikanisch dahingestellt sein lassen, sagte Alexander, desgleichen die Erdnußbutter, an deren Geschmack er sich nicht gewöhnen konnte. Aber Weintraubengelee und Orangenblütenhonig, das war ohne weiteres okay. Der ganze Tisch stand voller Gläser und Flaschen, was dazu führte, daß Alexander nur eben ein paar Bissen zu sich nahm. Victoria zwitscherte darüber hin. Vor vielen Jahren sei es ihr passiert, daß ein Gast sich in der Nacht an ihrer Tür zu schaffen gemacht habe. Sie nehme es ihm gut, daß er dergleichen nicht versucht habe.
Frühstück im Freien! Kakteen in allen Farben terrassenartig arrangiert, und das ganze Haus überwachsen von einem Busch, der scharlachrot blühte, von Kolibris umschwirrt.
Die Stadt zu Füßen und in der Ferne das Meer. Ein starker, würziger Geruch kam von einem Waschbären, der hier in der Nacht herumgeschnüffelt hatte. Kojoten hätten sie in der Gegend auch schon gehabt.
Eh’ sie’s vergesse: Ann Large komme gleich noch auf einen Sprung vorbei, eine Journalistin, die wohne ganz in der Nähe. Das Frühstück mit ihr sei schon Tradition. Wenn deutsche Autoren kämen, sei sie gleich zur Stelle. Wann kriege man schon mal einen deutschen Autor vor die Flinte!
Large überlege, ob sie einen kleinen Aufsatz an die L. A. Weekly gebe, die«Deutschen Wochen»betreffend, und da müsse Alexander natürlich auch erwähnt werden.
Das Thema Schätzing wurde umgangen. Ein sonderbarer Heiliger. Er hatte das Privatquartier bei Victoria rundheraus abgelehnt. Vom Flughafen aus sogleich ins Hotel gefahren, Tür abgeschlossen, aus. Völlig erschöpft der Mann, habe sich nicht von der Stelle gerührt, weder das Chinese Theatre besichtigt mit den Footprints der V. I. P.s noch die Sternchen auf dem Hollywood Boulevard. Habe in seinem Hotel gesessen und sich verweigert. Auch die Lesung habe er abgesagt. Es war nichts zu machen gewesen. Fünfhundert Leute nach Hause geschickt, das muß man sich mal vorstellen! Ein Autor aus der DDR - das interessierte natürlich. Und dann: Lyrik!
Schmerztabletten habe sie ihm bringen müssen, und die habe er nur durch die Tür akzeptiert.
«Ist der Mann gehbehindert?»
Ann Large ließ sich diesmal nicht sehen, es
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