Letzte Gruesse
(Mutter Spanierin, Vater Isländer), in früheren Jahren mal Kommunist - mit hochgereckter Faust in die Vorlesungen gestürmt -, jetzt natürlich auch geheilt und eher der konservativen Rechten zuzurechnen.
Die Bücher aller Gastautoren vergangener Jahre lagen in einer Grabbelkiste, im Preis herabgesetzt. Alexander nahm sie eines nach dem andern zur Hand.«Für dieses Zeug ist mir mein Geld zu schade», dachte er.
Sowtschicks Publikationen waren fein präsentiert, auf einem großen Tisch stufenartig mit schwarzem Tuch drapiert, eines immer höher als das andere und manche Stücke sogar gefällig-schräg wie Gartenzwerge davor lagernd. Ein großer Blumenstrauß in der Mitte.
Fast wie ein Grabmal … Aber es kniete niemand davor. So weit ging die Liebe nicht.
Die«Wolkenjagd»fehlte übrigens, das sah Alexander sofort.
Wahrscheinlich gingen die Bücher alle weg, sagte die Buchhändlerin, die, eine Hängebrille um den Hals, immer mehr Sowtschick-Bücher heranschleppte. Für Notfälle hatte man noch was auf Lager.
Um sich erkenntlich zu zeigen für die Mühe, die man sich in dieser Buchhandlung mit ihm gab, kaufte Sowtschick das Tagebuch eines Anglers, ein faksimiliertes Buch in Querformat, einzelne besonders prachtvolle Fische: das Anglerglück des Tagebuchschreibers, äußerst penibel aquarelliert. Das wäre was für Schitti, dachte er. Für Marianne würde sich auch schon noch was finden. Käme Zeit, käme Rat. Und für Klößchen sowieso. Für die hatte er ja allerdings schon die Rasierklinge.
Sich selbst beschenkte Alexander mit allerhand Kriegsbüchern, die er drüben noch nicht gesehen hatte. Ein Erinnerungsbuch von verschiedenen Members, die bei der Besetzung Deutschlands eine Rolle gespielt hatten. Gesprengte Brücken und Landser mit einem weißen Taschentuch in der Hand, wie sie müde den Siegern entgegengeschlurft kommen.
Leider gab es keine deutschen Zeitungen zu kaufen. Wie gut, dachte Sowtschick, da brauche ich mich nicht zu ärgern. Das Statement eines deutschen Politikers, die Beziehungen zur Deutschen Demokratischen Republik seien ausgezeichnet, und daran wolle man nicht rühren, das hatte er in seiner Besenkammer noch gelesen, bis ihm die Zeitungen abgeluchst worden waren.
Wie denn Schätzings Freundin ausgesehen habe, fragte Alexander den Professor. - Ganz unbedeutend, so eine kleine braune Bienenkönigin. Vielleicht gar nicht verkehrt, Jennifer mit Namen, aber so was kann eine Frau doch nicht machen, einem Mann hinterherreisen und dann hier aufkreuzen, unschuldig lächelnd.
Er habe den Eindruck gehabt, sie sei ihm hörig gewesen, sagte Flowers. So was gäb’s ja.
«Ich glaube, sie war jüdisch.»
Wahrscheinlich sitzt Schätzing jetzt in Austin, dachte Alexander. Das war die Universität, von der Leute wie Sowtschick nicht eingeladen wurden. Dort praktizierte man von vornherein eine sehr spezielle, strenge Auslese, genauso wie man es bei den Members tat, nur andersherum. Für Austin hätte Alexander sich extra eine Freundin anschaffen müssen, die ihm von New York aus nachreist, und außerdem hier und dort mit hoch aufgereckter Faust in eine Vorlesung stürmen.
Die Universität war großzügig dimensioniert, nur das Arbeitszimmer von Flowers hatte die Ausmaße eines Kaninchenstalls. Ein Computer in der Ecke nahm den meisten Platz ein. Gelbe Schrift auf braunem Untergrund. Und wenn man irgendwo drückt, wird die ganze Sache sofort hellblau.
So ein Ding muß ich auch haben, dachte Sowtschick, koste es, was es wolle.
Flowers ließ auf seinem Computer einen Teil der fünfzehntausend mittelalterlichen Schwankverse Wittenwilers aufflimmern, die er gerade übersetzte. Die Männer beugten sich vor. Aber so auf die Schnelle war nichts Interessantes zu erhaschen. Bloß nicht diese Taste hier drücken, sonst sind die Verse für immer verschwunden!
Alexander rief zu Hause an, daß er wohlbehalten angekommen ist. Aber Sassenholz nahm nicht ab.
«So ist es immer!»sagte Sowtschick.
Flowers sagte, es könne ja passieren, daß mal jemand nicht da ist. Schließlich habe Alexanders Frau ja auch was anderes zu tun, als nur am Telefon zu sitzen.
Sie gingen einen Gang entlang, und in allen Zimmern, links und rechts, flimmerten Monitore, ob Student oder Lehrer: Hier hatte man sich die neueste Technik bereits dienstbar gemacht. Dem alten Kontinent weit voraus.
Zum Essen gingen sie in die Mensa, in der sich gut gewachsene, übergesunde Studenten mit ihren Tabletts durch die
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