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Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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Wahrheit!“
    Erneut nickte der alte Kapo, der früher ein erfolgreicher Arzt gewesen war und den es heute maßlos ärgerte, dass ein hergelaufener Hollywoodschauspieler Chefarzt sein konnte und sie alle dessen Fehler ausbaden mussten.
    Er räusperte sich und sagte: „Ich werde die Wahrheit sagen, das können hier ruhig alle hören!“
    Kurz blickte Schmelz die anderen Pfleger an, die interessiert wegsahen, und drohte ihnen kurzerhand, sie kämen alle in den Bunker, wenn dem Alten auch nur ein Haar gekrümmt würde! Er wäre ein wichtiger Zeuge.
    „Also“, sagte Schmelz, schloss die Augen, atmete ein paar Mal durch, um sich zu beruhigen, und fragte dann, wer heute Morgen alles im Krankenzimmer gewesen sei, in dem sich die Insassen Freudmann und May befunden haben.
    „Ich bin ein alter Mann“, sagte der Befragte: „Und es ist mir nicht wichtig, was mit mir noch passiert. Mein Leben war einzigartig, und im Himmel kann mir nur Gutes passieren.“
    „Ja, ja!“
    „Also, die Herren Freudmann und May hatten heute Morgen nur Besuch von seiner Majestät!“
    „Seiner Majestät?“
    „Ja, so nenne ich unseren Schauspieler gerne. Er hat mal einen König gespielt in Amerika. Den König von Honolulu, was ihm zu Kopf gestiegen sein muss.“
    „Und Sie sind sich sicher? Nur er? Kein anderer? Sie waren heute Morgen nicht weg?“
    „Ich war tatsächlich die ganze Wache über hier und habe die Zimmer im Blick gehabt, auch wenn das die wenigsten von uns tun. Es war so, wie ich es sage. Lediglich Doktor Hoven war im betreffenden Zimmer. Übrigens kurz vor deren Tode, was mir komisch vorkam, weil er doch kurz darauf Herzversagen feststellte, obwohl die Männer erst starben, nachdem er wieder weg war. – Es steht ja auch hier im Besucherbuch, wie Sie sehen können!“
    Fast riss der Ermittlungsrichter dem ehemaligen Chefarzt einer Universitätsklinik das abgenutzte, dicke Buch aus der Hand. Tatsächlich! Ein Beweis! Ein Beweis, den er dem Hoven unter die Nase halten konnte! Ein Beweis, der belegte, dass nur er dort gewesen war, nur er! Zum Zeitpunkt der Tode! Und zum zweiten Mal an diesem Tage schrie Schmelz lachend auf, während der Alte milde lächelte.
    „Danke!“, sagte Schmelz: „Kommen Sie, Liebig, wir verhaften Hoven wegen dringendem Mordverdacht! Langsam kommt die Sache in Gang! Kommen Sie, kommen Sie!“
    „Es ist aber Vorsicht geboten“, sagte Liebig auf dem Flur leise: „Die Zentrale hat doch gemeldet, dass Hoven im Ring immer ein mexikanisches Gift mit sich trägt. Wir müssen ihn also sofort und erst überrumpeln und ihn dann, ohne den Ring am Finger, von der Verhaftung in Kenntnis setzen, Hauptsturmführer!“
    „Sehr richtig! Sie sind ein guter Mann! Haben sich gut entwickelt! Keine Migräne mehr, was?“
    „Nein, man schämt sich ja bei diesen Bestialitäten, die hier vor sich gehen, wenn man an so etwas wie Migräne leidet!“
    „Ich weiß, was Sie meinen! – So, da vorne ist das Zimmer. – Tun wir, was wir tun können, aber tun wir es gut und schnell! – Entsichern Sie Ihre Waffe, verstecken Sie sie aber hinterm Rücken und schießen Sie ihm notfalls ins Bein, aber auf keinen Fall in Brust oder Kopf, Liebig! Es darf nicht schief gehen, Liebig. Ich gehe langsam zu ihm und übertölpele ihn dann, ach, verdammt, ich wünschte, mein Fahrer wäre mit von der Partie, der treue Heinze, dieser Pommernsohn.“
    „Ich auch“, sagte Liebig und machte seine Waffe schussbereit.
    Am neunten Dezember dreiundvierzig flogen die Alliierten schwere Luftangriffe auf Sofia, am elften Dezember forderte Cordell Hull Ungarn, Rumänien und Bulgarien zum Kriegsaustritt auf, am zwölften Dezember schlossen die Sowjetunion und die tschechische Exilregierung ein Abkommen über die Nachkriegszusammenarbeit ab und am gleichen Tag brach eine deutsche Offensive im Raum Kiew zusammen, während am dreizehnten Dezember die Schweizer berichteten, die Wehrmacht verfüge über Flugkörper mit einer Reichweite von zweihundertsechzig Kilometern, und am fünfzehnten des Monats wurde in der Schweiz zum ersten Mal ein Sozialdemokrat Mitglied des Bundesrats. Am zwanzigsten Dezember griffen Einheiten der Roten Armee Witebsk an und in Bolivien übernahm eine Offiziersjunta die Macht, während am gleichen Tage in der Sowjetunion die Internationale durch eine eigene Nationalhymne der UdSSR abgelöst wurde. Ab dem zweiundzwanzigsten Dezember dreiundvierzig wurden in der Wehrmacht NS Führungsoffiziere eingesetzt, um die Soldaten ideologisch

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