Letzte Haut - Roman
gleiten.
„Was mein Hauptbelastungszeuge, der ehrenwerte Doktor Schmelz, damit sagen wollte“, erklärte der Erbprinz: „Das ist die absolute Sauerei, die in unserer Organisation Fuß gefasst hat. Dieser absoluten Sauerei, meine Herren, haben wir den Kampf angesagt. Diese Sauerei muss aufhören und wird aufhören. Und wer von Ihnen mit dieser Sauerei in Verbindung gebracht werden könnte, dem empfehle ich schon jetzt, ein Ende mit seinem Leben zu machen. Die Waffen SS ist die Elite des deutschen Volkes, und wer von Ihnen auch immer sie beschmutzt und besudelt, wer sich bereichert oder sich in einer anderen Art schuldig macht, der hat in unserer Organisation nichts zu suchen, auch wenn er Pohl heißt! Wir kämpfen für die innere Reinheit, damit Ihnen allen das klar ist, und Ihnen, Schmitt Klevenow empfehle ich, das Maul zu halten. Kapiert, Gruppenführer?“
Schmitt Klevenow sprang auf, wollte erst den Saal verlassen, ehe ihm einfiel, hier komme im Moment ja niemand heraus, änderte seine Meinung und schrie: „Zu Befehl, Obergruppenführer!“
„Na, geht doch“, sagte der Erbprinz, drehte sich zu Schmelz um und forderte ihn auf, ab jetzt aber bei der Sache zu bleiben.
Gerade wollte der Richter fortfahren, als der Verteidiger Piepenbrock in ruhigem Ton sagte: „Donnerwetter, mein Respekt! Als Sie in Stettin für einen Eklat im Gerichtssaal gesorgt haben, sind Sie noch geflogen! Sie haben dazu gelernt und sich Deckung besorgt!“
„Danke“, sagte Schmelz lächelnd: „Der Beginn meiner Untersuchungen also gegen Karl Koch kann auf den Juni dreiundvierzig gesetzt werden. Damals holte mich Obergruppenführer Waldeck Pymont von der Ostfront zurück, weil er von meinen Fähigkeiten als Korruptionsjäger gehört hatte, die ich mir im Falle der Brigade Dirlewanger erworben hatte, welche dem hier anwesenden Obergruppenführer Berger unterstand.“
„Wenn ich unterbrechen darf“, sagte Piepenbrock: „Welchen Rang bekleideten Sie an der Front?“
„Den Rang eines Sturmmanns.“
„Oh, wie ungewöhnlich! Waren Sie in Krakau nicht Obersturmführer?“
„Ja, das war ich.“
„Erklären Sie uns das! Wie kam es dazu? Sind Sie etwa degradiert worden, Hauptsturmführer? Ein so aufrechter Mann wie Sie?“
„Ich wurde zur Bewährung an die Ostfront auf ausdrücklichen Befehl des Reichsführers geschickt und in den Rang eines Sturmmanns versetzt, weil dem bereits erwähnten Obergruppenführer Berger meine Ermittlungen gegen die Brigade Dirlewanger zu weit gingen.“
„Wie denn, was denn? Was hat denn der Obergruppenführer damit zu tun? Sind Sie nicht deswegen bestraft worden, weil Sie einen Führerbefehl sabotiert haben?“
„Nein, das wurde nur falsch übermittelt. Ich sprach in meiner Position als Richter einen Offizier der SS faktisch frei, dem vorgeworfen worden war, mit einer Polin den Beischlaf verübt und somit Rassenschande begangen zu haben, allerdings stellte sich im Verlauf der Befragung heraus, dass dieser Beischlaf nicht vollzogen worden war. Dafür lagen Beweise vor, allerdings hatte ich nie Gelegenheit, dem Reichsführer SS von diesem Versäumnis der Übermittlung in Kenntnis zu setzen, weil ich kurz darauf an der Ostfront meinen Mann stand und für unser Vaterland kämpfte, und wenn die Frage erlaubt ist, Richter Piepenbrock, haben Sie Fronterfahrung?“
„Das tut hier nichts zur Sache!“, sagte der Verteidiger.
„Das denke ich auch“, sagte Schmelz: „Wenn ich nun fortfahren darf, oder haben Sie noch weitere Fragen, meine Vergangenheit betreffend?“
„Im Augenblick nicht, lassen Sie sich nicht aufhalten, Zeuge Schmelz, ich lausche gespannt.“
„Ich wiederhole noch einmal“, warf Chefrichter Ende ein, der nun von Schmelz beeindruckt war: „Die Vergangenheit des Zeugen interessiert in diesem Prozess nicht. Uns hat lediglich die Zeit ab Juni dreiundvierzig zu interessieren, und noch einmal, auch nur das alles, was unmittelbar mit Karl Koch oder den anderen da zu tun hat. Der Lageralltag wird hier nicht verhandelt! Fahren Sie fort, Zeuge Schmelz.“
„Mit Typhus infiziert“, begann Schmelz erneut: „Las ich in einem Bericht und wurde aufmerksam. Zuerst fiel mir auf, die Krankengeschichten zweier Häftlinge setzten vor gut zwei Monaten ein, genau einen Tag nach der Verhaftung des Standartenführers Karl Koch. Ich fragte mich, ob Koch selbst aus der Zelle heraus noch Leute töten lassen konnte, die zuviel wussten. Davor schienen die beiden Männer kerngesund gewesen zu sein.
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